Der Neid eines Fremden
Geruch der Angst, das Auftauchen und Verschwinden seines Opfers. Die Notwendigkeit, schnell zu handeln und scharf zu denken; den Verlauf vorherzusehen und zu-rückzuverfolgen.
Selbst als er heute morgen geglaubt hatte, sich geschlagen geben zu müssen, hatte er sich lebendiger als je zuvor gefühlt. Die Tage zogen sich nicht mehr grau und eintönig dahin, sondern hatten ein neues Gesicht bekommen, als wären sie eigens für ihn aufpoliert worden. Auf gewisse Weise würde er traurig sein, wenn alles vorbei wäre, doch zugleich wußte er, daß er dann ein anderer Mensch wäre. Er wußte nicht genau, was dabei herauskommen würde, ihm war nur klar, daß er in seinen Augen und in denen der gesamten Welt vollkommen anders sein würde.
Unterdessen sah sich Sonia im Restaurant ruhig seine Liste an.
Die Jobvermittlung hatte ihr zugesichert, ihr innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden jemanden vorbeizuschicken. Es war eine jener Agenturen, die sich darauf eingestellt hatten, mit jedem Problem fertigzuwerden. Die Stimme am anderen Ende der Leitung hatte einen dermaßen ungewissen, flötenhaften Ton, daß Rosa ihrerseits unsicher geklungen haben mußte, denn ihr wurde unablässig versichert, daß alles zu ihrer Zufriedenheit erledigt würde, »wie outre ihre Wünsche auch immer sein mochten«. »Erst letzte Woche haben wir einen Turmarbeiter und einen Kobold für Selfridges gestellt, und zudem haben wir einen Kameltransport zum Flughafen Stanstead organisiert.«
»Sehr schön.« Rosas Stimme klang belegt. Vor nicht allzulanger Zeit hätte sie sich über eine so köstliche Auflistung von Jobs amüsiert und sie sich gemerkt, um sie Leo zu erzählen. »Er wird also morgen früh hier sein?«
»Um halb zehn.« Als das Gespräch bereits beendet schien, fügte die Stimme hinzu: »Oh - ich hoffe, Sie haben nichts gegen Schauspieler?«
»Um Himmels willen, nein.«
»Ein großer Teil unseres Personals setzt sich aus Schauspielern zusammen. Sie warten ständig auf irgendwelche Engagements, wissen Sie?«
»Na ja, solange er nicht auf meine Kosten wartet...«
Dieser scharfe Tonfall kam nicht gut an. Die Flötenstimme klang leicht verstimmt, als sie sich verabschiedete: »Auf Wiederhören, Mrs. Gilmour.«
Jetzt wartete Rosa darauf, daß dieser unbekannte Schauspieler seinen Einzug hielt. Sie freute sich auf seine Gesellschaft, sie, die es früher kaum abwarten konnte, das Haus für sich zu haben. Sie bezweifelte, daß er ebenso tüchtig wie Mrs. Jollit wäre. Andererseits würden ihr die unheilbaren Neurosen erspart bleiben. Es klingelte an der Haustür.
Als sie in die Diele ging und hinter der farbigen Türverglasung einen großen, dunklen Schatten sah, überfiel sie für einen Augenblick ein Gefühl der Angst. Sie hätte eine Türkette anbringen lassen sollen. Darum würde sie sich auch heute kümmern, bevor sie ins Studio ging. Auf der Hauptstraße gab es einen Eisenwarenhändler. Sie machte die Tür einen Spaltbreit auf und guckte hinaus.
»Mrs. Gilmour? Greg. Von der Jobvermittlung.«
»Kommen Sie herein.« Sie lächelte, als sie die Tür öffnete. »Es tut mir leid, wenn ich mißtrauisch wirke, aber...«
»Ich hab' schon gehört, meine Liebe.« Er folgte ihr in die Diele und die Küche. »Eine haarige Angelegenheit.«
»Möchten Sie einen Kaffee?«
»Naja ... schließlich bezahlen Sie meine Arbeit, Mrs. Gilmour.«
»Rosa.«
»Ein Kaffee wäre großartig.« Er hängte seine Lederjacke über die Stuhllehne und sah sich voller Bewunderung in der Küche um. »Ein tolles Haus.«
»Ja.« Sie stellte die Kaffeemaschine an. »Wir haben es gekauft, kurz bevor die Preise in die Höhe geschnellt sind. Jetzt muß man schon fast ein Millionär sein. Wo wohnen Sie?«
»Palmers Green. Ich teile die Wohnung mit einem Freund.« Er hockte sich auf einen der Wiener Stühle. »Haben Sie einen festen Ablauf, an den ich mich halten soll? Oder fällt jeden Tag etwas anderes an?«
»Mrs. Jollit hatte eine feste Abfolge, aber sie hat ziemlich lange für mich gearbeitet und wußte, was ich wollte. Ich denke, wir regeln das von Tag zu Tag.«
»Warum hat sie gekündigt?«
»Wegen dieser schrecklichen Sache... Sie wissen schon.« Greg nickte verständnisvoll. »Sie dachte, sie würde hier im Bett ermordet werden.«
»Dann hat sie hier also gewohnt?«
»Nein.« Greg prustete los, und auch Rosa mußte lächeln. »Ich werde mich nach
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