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Der neue Frühling

Der neue Frühling

Titel: Der neue Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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selten benutzt.
    Er legt den Stein vor sich hin und schaut in seine geheimnisvollen Tiefen.
    »Nur weiter«, sagt Thaggoran.
    »Ja. Ja.«
    Hresh stellt sein Sensor-Organ auf und schlingt es – ohne ihn direkt zu berühren – um den Wunderstein; dann umfaßt er in einer blitzschnellen konvulsivischen Bewegung den Talisman mit der innersten Schwanzwindung und drückt die Spitze seines Sensors auf ihn.
    Es kommt ihm eine scharfe Empfindung schockartiger Dislokation, als stürze er in einen endlos tiefen Schacht. Zugleich aber ertönt auch diese vertraute Himmelsmusik, diese Sphärenklänge, die er mit dem Gerät assoziieren gelernt hat, und sie senken sich um ihn herab wie umhüllendes Schleiertuch, das ihn fängt, umfängt und auffängt. Und er weiß: Du brauchst dich nicht zu fürchten. Er tritt ein in diese Musik – wie schon so oft früher – und läßt sich von ihr einfangen und löst sich darin auf und wird von ihr hinweggetragen, hinauf in eine Welt voll Helligkeit und Farben und Wandelformen, in der alles Möglichkeit wird und in der der gesamte Kosmos ihm greifbar nahe ist.
    Er schwebt nach Norden, weit über die mächtige Krümmung des Planeten hinweg. Er schwebt hoch über dem dunklen Land, das schuppig überkrustet ist von den Myriaden von Ablagerungen, die sich im Laufe der langen Geschichte der Erde aufgeschichtet haben, diesem Schutt und Müll und den Trümmern, die das Erbteil einer Welt sind, die war, ehe die Welt wurde.
    Unter ihm liegt die Große Stadt Dawinno. Weiß und lieblich und erhaben, und so angenehm wohlig an die saftigen Hügelhänge der Bucht geschmiegt… Gen Westen sieht Hresh die immense Weite des Ozeanpanzers, schwarz und schwer über der Hälfte des Planeten Erde lasten, und die dort verborgenen Geheimnisse sind zu tief für sein Verständnis. Also steigt er höher und immer höher hinauf, und wieder weiter nach Norden, bis zu der Zone, wo die Stadt sich in verstreuten vereinzelten Wohnblocks auflöst und in Ackerland und Wald übergeht.
    Während er hinaufsteigt, sucht er den heißen leuchtenden Funken, der die Seele von Nialli Apuilana ist. Doch er spürt nirgendwo einen Hauch von ihr auf.
    Er ist inzwischen ziemlich weit im Norden und schaut auf winzige Agrargemeinden, Kleindörfer, hinab, die sich als helle weiße und grüne Flecken von den frisch umbrochenen Äckern abheben. Und er sieht weiter hinüber in das Land, das im Neuen Frühling noch nicht wieder bebaut wurde und wo die wilden Tiere des Langen Winters noch ungehindert und frei durch die Wälder und die verkohlten, verwitternden Reste der Großwelt-Städte schweifen, die wie zerbröselnde Knochenscherben auf den unbehausten, windzerfurchten Hochplateaus lagern. Aber, so tot sie sind, es strahlt aus ihnen noch immer das starke vibrierende Echo der Gegenwart der Sechs Stämme, deren Gebiet dies einstmals war.
    Aber keine Nialli. Das verwirrt ihn. Sind sie mit einem Zauberwagen gekommen, sie zu holen, und haben sie – in einem Nu, solang, wie ein Lidschlag dauert – über die Tausende von Meilen bis zum NEST entführt?
    Er strebt weiter nordwärts.
    Jetzt gleitet die Stadt Yissous in sein Blickfeld, hoch oben im Norden, hinter einem gigantischen Bollwerk versteckt wie eine argwöhnische Schildkröte. Und im nächsten Augenblick ist Hresh darüber hinausgesegelt und nähert sich nun Vengiboneeza, dessen türkisgrüne und scharlachrote Türme von wimmelndem Insektenleben nur so glühen. Ja, hier gibt es ein Nest, ein oberirdisches, und es breitet sich wie eine ungehörige graue Wucherung über die Gebäudereste aus der Großen Welt. Aber Nialli ist nicht hier. Hresh ist inzwischen so hoch hinaufgestiegen, daß er den Bogen der Küstenlinie klar ausmacht, die von hier aus scharf nach rechts auskrängt. Die ganze Kontinentalküste krängt merklich von Süd nach Nord immer mehr nach außen, so daß Yissou durchaus weit östlich von Dawinno liegen kann und dennoch dem Meer so nahe, und Vengiboneeza kann noch weiter im Osten sein und trotzdem seinen leichten Zugang zum Großen Wasser haben.
    Aber weiter. Über Vengiboneeza hinaus und in Gebiete, die Hresh außer in seiner Phantasie nie zu betreten gewagt hat.
    Hier ist das Land der Hjjks. Sie herrschten darüber schon in den Tagen der Großen Welt, und sie haben ihre Herrschaft niemals aufgegeben, nicht einmal in den ärgsten Zeiten des Langen Winters, als alles Land von Flüssen und Bergen aus Eis überdeckt war. Irgendwie haben sie überlebt; irgendwie ernährten und

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