Der neue Frühling
bestimmt ein recht grober. Wie durfte der Kerl es wagen? Als nächstes würde er sie begrapschen!
Urplötzlich explodierte der Zorn in ihr, und sie spuckte ihm heftig ins Gesicht. Der Speichel blieb im Fell zwischen seinen weit auseinander liegenden Augen hängen.
Er gaffte sie ungläubig an. Dann wischte er sich langsam über das Gesicht. Seine Stirn runzelte sich in Entrüstung und kaum gebändigter Wut.
»Warum hast du das gemacht? Das hättest du nicht tun müssen!«
Sie reckte sich hoch. »Deine Art ödet mich an.«
»Meine Art? Was meinst du damit, meine ‚Art’. Ich bin ich, der einzige Ich, den es gibt. Und ich hab es nicht bös gemeint. Du hast keinen Grund, sowas zu machen.« Er senkte die Stimme: »Hör mal, war es denn wirklich dermaßen schlimm, wenn wir uns für ein Stündchen verdrücken und kopulieren würden, Edle Nialli? Ein Mann von der Garde ist durchaus imstande, auch einer Häuptlingstochter Vergnügen zu bereiten, mußt du wissen. Oder meinst du, Kopulieren macht keinen Spaß? Ist es vielleicht das? Zu stolz dazu, wie? Oder zu ängstlich? Was ist los mit dir?«
»Bitte!« sagte sie in ungläubigem Staunen. Ihr kam es vor wie ein Traum. Wie erniedrigend das alles war! Sie war zornig und benommen und gleichzeitig den Tränen nahe. Aber es war entscheidend, angesichts derartiger Sachen Festigkeit zu bewahren. Sie funkelte ihn an. »Das reicht! Was bist du doch für ein vulgärer witzloser Wicht!«
»Du wirst mich dafür strafen lassen, ich weiß. Das wirst du doch? Aber ich werde ihnen sagen, daß du mir ins Gesicht gespuckt hast. Dabei hab ich dich mit keinem Finger angerührt. Ich hab bloß mit den Augenbrauen gewackelt.«
»Geh mir aus dem Weg und laß mich rauf!« befahl Nialli heftig. »Und geb’s der Himmel, daß mir dein Anblick in Zukunft erspart bleibt!«
Er starrte sie in dumpfer Verwirrtheit an, dann stieß er die Schranke für sie auf. Mit abgewandtem Blick schoß sie an ihm vorbei ins Haus. Sobald sie in Sicherheit war, blieb sie schaudernd stehen. Sie war durcheinander, kam sich verletzt und besudelt vor, als wäre sie es, die angespuckt worden war. Ihr ganzer Leib war vor Zorn und Schock wie verkrampft. Sie atmete ein paarmal tief durch und spürte, wie ihr Puls nach und nach zu rasen aufhörte. Ruhiger stieg sie dann die Treppen zu dem Zimmer Kundalimons im dritten Stock hinauf und klopfte an.
Sofort ging die Tür auf, und Kundalimon spähte heraus. Er lächelte schüchtern. Die grünen, oft so eisigen, abweisenden Augen wirkten heute lebhaft und freundlich; Nialli fühlte von ihm eine so weiche Woge unschuldiger Zärtlichkeit auf sich zukommen, daß in einem kleinen Augenblick der Makel, die Beschmutzung durch die betrübliche Begegnung mit dem Posten drunten wie weggewischt erschien.
»Also kommst du doch endlich zu mir!« rief Kundalimon mit vor Freude schwankender Stimme. »Das gut, sehr gut. Endlich du kommst. Ich misse dich, Nialli Apuilana, ich misse dich sehr. Ich warte hier ganze Zeit stundenlang.«
Seine Hand glitt an ihr Handgelenk, und er zog sie sacht ins Zimmer und schloß die Tür. Er nahm ihr das Tablett und die Weinkaraffe aus den Händen, kniete nieder und stellte sie auf den Boden. Danach stand er stumm eine Weile vor ihr und blickte sie schweigend an. Danach faßte er sie wieder am Handgelenk.
Irgendwas ist verändert an ihm heute, dachte sie. Da ist etwas seltsam Neues an ihm.
Zögernd sprach er dann: »Ich viel denke. Wie Gefühl ist, weißt du? Ich bin so sehr viel einsam. Nest – so weit fort. Nest-Denker, Königin. So fern-weit. Überall Fleischleute um mich.«
Mitgefühl mit seiner Einsamkeit schwoll überwältigend in ihr auf. Impulsiv sagte sie zu ihm: »Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, Kundalimon. Bald wirst du zurückkehren.«
»Wirst zurückkehren? Ich?«
Er wirkte wie vom Blitz getroffen. Aber auch sie selbst war über ihre Worte erstaunt. Gab es denn schon eine Absicht, ihn freizulassen? Sie wußte es nicht. Thu-Kimnibol hatte zwar davon gesprochen, man solle ihn mit einem Schreiben bezüglich der Zurückweisung des Vertragsangebots ins NEST zurücksenden, gewiß, doch Taniane hatte durch nichts erkennen lassen, daß sie darauf eingehen werde. Viel wahrscheinlicher erwartete sie wohl, daß Kundalimon nach Beendung seiner Gefangenschaft bei den Hjjks sich nun anschicken werde, ganz einfach wieder ein normales Leben in der Stadt seiner Geburt zu führen, ganz so, als wäre er nur ein paar Wochen oder Monde
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