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Der neue Frühling

Der neue Frühling

Titel: Der neue Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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sie einsetzt, um sich gegen die Fremdeinwirkung des Zweitgesichts abzuschirmen. Hatte er einfach keine Ahnung, wie das geht? Nein. Nein, er schien sich ihrer Sondierung bereitwillig auszuliefern.
    Sie holte tief Luft und trieb ihr erweitertes Wahrnehmungsfeld so tief in sein Bewußtsein, so tief sie es wagte.
    Und sie sah das NEST.
    Alles war verschwommen, undeutlich, unbestimmt. Entweder waren seine Mentalkräfte noch unentwickelt, oder er hatte eine Hjjk-Methode der Denkmaskierung erlernt. Denn was sie in ihm erblickte, sah sie wie durch viele Schichten eines dunklen Gewässers.
    Ja, es war das Nest, wirklich. Sie sah die dämmerigen unterirdischen Gänge und die gewölbten Decken. Dunkle Gestalten, Hjjk-Gestalten bewegten sich dort steif. Aber alles blieb undeutlich. Sie konnte keine Kastenunterschiede erkennen. Sie konnte nicht einmal Weib von Mann unterscheiden, Soldat von Arbeiter. Was jedoch vor allem fehlte, war der ‚Geist des Nestes’, die Dimension der seelischen Wirklichkeit, die fundamentale tiefe Nest-Bindung, die alles umfassen, einhüllen, tragen sollte, der alles durchdringende Strom der Königin-Liebe in diesen schwach erhellten unterirdischen Gängen, das alles beherrschende Gebot des Ei-Plans. Es war kein Wohlgeruch da. Und keine Wärme. Es gab keine Nahrung. Nialli schaute in das NEST und blieb dennoch von ihm abgeschnitten, ein Außenseiter, allein und verloren in den eisigen Bereichen der Schwärze zwischen den gefühllosen Sternen.
    Enttäuscht versuchte sie etwas tiefer vorzudringen. Es wurde nicht besser. Dann verspürte sie einen sanften Stoß.
    Kundalimon mühte sich, ihr zu helfen. Irgendwie war er an die Quelle seiner eigenen Zweitsichtpotentiale vorgedrungen, die er wahrscheinlich noch nie vorher benutzt hatte, oder wenn, dann ohne zu wissen, was es war, und nun strengte er sich an, die Vision für Nialli zu verstärken. Doch auch damit wollte sich der Schleier nicht gänzlich heben. Gewiß, sie sah nun deutlicher, doch die gesteigerte Helle bewirkte nur neue Verzerrungen.
    Es war zum Verrücktwerden. So nahe zu sein und nicht an den Punkt zu kommen…
    Ein Seufzer entrang sich ihrer Brust. Sie zog ihr Bewußtsein aus dem seinen zurück und rollte von ihm fort, mit dem Gesicht zur Wand.
    »Nialli?«
    »Es tut mir leid. Ich bin gleich wieder in Ordnung.« Sie weinte still in sich hinein. Sie fühlte sich stärker alleingelassen als jemals zuvor.
    Seine Hände streichelten ihr den Rücken, die Schultern. »Hab ich was getan, was dich ärgert?«
    »Nein. Nichts. Nicht du, Kundalimon.«
    »Also haben wir es falsch angepackt?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich hab was gesehen. Nur ein bißchen. Den Saum der Umrisse des Nests. Alles war dermaßen überschattet. Undeutlich. Weit weg.«
    »Ich hab es falsch gemacht. Du wirst es mir richtig beibringen.«
    »Es war nicht deine Schuld. Es – es hat einfach nicht funktioniert.«
    Dann herrschte eine Weile lang Stille. Er rückte näher an sie heran und bedeckte ihren Leib mit dem seinen. Dann plötzlich, fast erschreckend, ließ er sein Sensororgan an ihrem entlanggleiten, in einer hastigen raschelnden Berührung, die ihr einen scharfen Gefühlsschauder durch die Seele jagte.
    »Wir versuchen das Tvinnr, wollen wir?« bat er.
    »Willst du das wirklich, Kundalimon?« Sie hielt den Atem an und wartete.
    »Aber du willst doch das Nest sehen.«
    »Ja. Ja, das will ich… will ich sehr.«
    »Dann vielleicht mit dem Tvinnern…«
    »Aber es hat dich so erschreckt. Neulich.«
    »Das war damals.« Er lachte weich in sich hinein. »Und wenn ich mich noch recht erinnere, hat es da mal eine Zeit gegeben, in der du Angst vor der Kopulation gehabt hast.«
    Sie lächelte. »Die Dinge ändern sich.«
    »Ja. Sie ändern sich. Also komm! Zeig mir, wie man tvinnert, und ich zeig dir das Nest. Aber vorher mußt du dich erst mal zu mir umdrehen.«
    Nialli nickte und wandte sich ihm zu. Er lächelte sie an, mit diesem wunderbaren rückhaltlosen sonnenwarmen Lächeln, das er hatte, das Lächeln eines Kindes in einem Männergesicht. Strahlend senkten sich seine Augen in ihre, hell, voller Erwartung, erregt. Es lag eine Aufforderung in dem Blick wie nie zuvor.
    »Ich hab bisher nur ein einzigesmal getvinnert«, sagte sie, »das war vor fast vier Jahren. Mit Boldirinthe. Wahrscheinlich kann ich es auch nicht viel besser als du.«
    »Wir werden es gut machen«, sagte er. »Also, jetzt zeig mir, was das ist, dieses Tvinnern.«
    »Zuerst die Sensoren, der Kontakt. Du

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