Der neue Herrscher
wollte. Sondern deswegen, weil es zu viele waren. Die Gesandtschaft, die den beschwerlichen Weg von Anola bis hierher zurückgelegt hatte, schien zu erkennen, daß dieser Shallad andere Dinge für wichtig erachtete als der dicke Hadamur. Die Männer lächelten zustimmend. Einer von ihnen schloß:
»Wir wissen, was du in unserem Land gesehen und getan hast. Für meinen Herrscher spreche ich. Und ich kann versichern, daß wir unseren wahren Freunden den Wein nicht in Holzbechern kredenzen.«
Auf diese und ähnliche Weise ging es weiter. Stunde um Stunde verrann. Die Menschen in Logghard sahen nur die Gesandtschaften in Luxons eigenen Sälen verschwinden und wieder herauskommen – was wirklich gesprochen wurde, konnten sie an den zufriedenen Gesichtern der Besucher ablesen.
Außerhalb der Palastmauern redeten die Menschen ununterbrochen miteinander.
Sie tauschten ihre Eindrücke aus. Sie stellten fest, wie sehr sich Luxon von Hadamur unterschied. Sie berichteten einander von den Abenteuern, die sie erlebt hatten und in denen Luxon eine Hauptrolle gespielt hatte. Gerüchte schwirrten hin und her wie die aufgescheuchten Turmfalken. Noch ehe er die Stufen zu seinem Thron betreten hatte, war Luxon von Tausenden Augen gesehen, und von ebensoviel Kehlen und Mündern war gesagt worden, was die Menschen von ihm hielten und dachten.
Sie vertrauten ihm, aber sie litten noch unter den Erfahrungen, die sie mit dem habgierigen, machtbesessenen und dämonenhörigen Hadamur gemacht hatten.
Irgendwann, mitten in der Nacht, fiel Luxon auf sein Lager und schlief schnell ein. Es gab für ihn in dieser Nacht keine Träume.
Schließlich ging die Sonne des vierten Tages auf.
*
Die Menschen in der großen Stadt hatten ihre schönsten Gewänder angelegt. Diejenigen, die keine farbenfrohe Kleidung besaßen, hatten sich wenigstens mit Sand und Wasser gewaschen und das Haar gekämmt und geschnitten. Die Soldaten trugen ihre blankgeputzten und geölten Lederrüstungen. Schon nach der Morgendämmerung bespritzte man die Straßen mit Wasser, damit es nicht so staubte.
Noch ehe die Trommeln und die großen Hörner ertönten, begannen sich die Gruppen um die Musikanten und Barden zu sammeln. Hier leerte sich eine Schenke, dort öffnete sich die knarrende Tür eines Bürgerhauses, und an anderer Stelle bildeten sich schnell größere Gruppen, deren Ziel der Platz vor der Palastterrasse war.
Massen von Fremden, die keinen Platz mehr innerhalb der Mauern Logghards gefunden hatten, pilgerten durch die weit geöffneten Stadttore. Alle Arbeit ruhte; höchstens die nimmersatten Wirte spülten die Krüge und Becher aus. Die Stunde, in der Luxon gekrönt werden sollte, kam näher.
In feierlichem Aufzug, schweigend und hoheitsvoll, kamen die Magier auf den Palast zu. Die Magiergilde war vollzählig vertreten.
Die Absperrungen auf dem Platz, die sicherstellen sollten, daß vom Palast aus wenigstens eine schmale Gasse wegführte, wurden vom Andrang der Menge zur Seite geschoben, als die Hüter des Lichtboten-Grabmals und die Chronisten herbeikamen. Die aufgeregte Masse wollte sie ebenso aus der Nähe sehen und anfassen, wie sie es mit Luxon vorhatte. Hinter den Säulen und Torbögen des Palasts zeigte sich hin und wieder ein Soldat der Garde. Logghard war voller Unruhe, im Palast aber schienen noch alle zu schlafen.
Unterhalb der Terrasse waren Stufen und ein Podium aufgebaut worden. Ein schlaff hängendes Sonnensegel überspannte, auf sechs schräggestellte Lanzen gestützt, den Platz, an dem der Thronsessel stehen würde. Hadamur hätte diese Zeremonie anders gestaltet – mit unvorstellbaren Mengen an gleißendem Gold und gedemütigten Sklaven.
Nicht so Luxon.
Er wollte ein anderes Zeichen setzen – und überdies baute er seine Herrschaft nicht auf den gepeitschten Rücken von Sklaven auf.
Die Sonne ging auf, und auf den Gassen und Plätzen erschienen die Muster aus hellem Licht und schwarzen Schatten. Die Öllampen und die Fackeln loderten ein letztes Mal auf, ehe man sie ganz löschte. Wieder begann das Summen von Tausenden Unterhaltungen, vermischt mit dem Gesang, den Klängen von Lauten, Harfen und den ungezählten Handtrommeln die Gassen zu erfüllen. In der Ferne schrien hungrig die Yarls der Krieger Odams.
Aus dem Palast kamen Diener und trugen einen alten, hölzernem Sessel die lange Treppe der Terrasse herunter. Sie stellten ihn unter das Sonnensegel.
Etwa fünfzig hohe Stufen umliefen an drei Seiten die oberste Plattform und
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