Der neue Herrscher
schluckte und erwiderte zwischen zusammengepreßten Lippen:
»Necron!«
»Was ist mit Necron…?«
Mit weit aufgerissenen Augen flüsterte Luxon:
»Sie sollen nichts merken. Macht mit den Feierlichkeiten weiter! Ich werde es euch nachher berichten.«
»Geht es dir gut?«
»Ja. Später…«
Luxon blickte durch Necrons Augen. Necron sah die Menschenmenge auf dem Platz, die Fahnen und Farben, das Funkeln von Schmuckstücken und die begeistert hochgeworfenen Arme der Menge.
Luxon sah einen blauen Himmel mit langen, weißen Wolken, die ein hoch einherziehender Wind trieb. Er sah den Horizont eines Meeres und die Wellen, an deren Spitzen kleine weiße Schaumkronen sich bildeten und wieder auflösten. Drei Schiffe, in einer gestaffelten Formation segelnd und mit längen Riemen gerudert, tauchten aus dem leichten Dunst auf, der über den Wellen trieb. Die hellen Schäfte der Riemen hoben und senkten sich in regelmäßigem Takt. Im selben Moment kam Necrons Hand ins Blickfeld seiner Augen – Luxons Augen! –, und auf den Handrücken schrieb Necron langsam und deutlich einige Buchstaben.
W-a-h-n-h-a-l-l
Luxon begriff. Diese Schiffe, die den galeerenähnlichen Lichtfähren der Strudelsee nicht unähnlich waren, mit flachem Schiffskörper und den gedrungenen Bäuchen unter geschlossenen Aufbauten, kamen nach Meinung Necrons aus Wahnhall.
Necron mußte doch erkennen, daß er den Augenkontakt zum ungünstigsten aller denkbaren Momente herbeigeführt hatte. Aber er beharrte darauf, Luxon jetzt zu zeigen, was er sah. Und Luxon erlebte mit, wie die drei fremden Schiffe mit geblähten Segeln auf den Rahen der zwei Masten rasch näher kamen und geschickte Manöver segelten. Sie schienen Necrons Guinhan umzingeln zu wollen.
»Warum mußtest du auch lossegeln, Necron!« stöhnte der Shallad. »Bei Nacht und Nebel, ohne vernünftigen Abschied, wie es zwischen zwei Alp…« Er sprach nicht weiter. Schweigend und starr, nur ab und zu machte er Bewegungen mit den Händen, erlebte er wie im Traum seine eigenen Krönungsfeierlichkeiten mit. Seine Rolle war in dieser Stunde passiv; er brauchte nur in seinem Thronsessel sitzen zu bleiben.
Merkwürdige Dinge geschahen dort, jenseits der Hoffnungs-Inseln.
3.
Necrons Gedanken konnten niemals Teil der übermittelten Botschaften sein. Die Bilder waren lautlos, und nur mit Hilfe von Schrift und Zahlen vermochten Luxon und Necron einander jene Bedeutungen mitzuteilen, die zum besseren Verstehen der Bilder wichtig waren. Necrons Schiff, mit dem er losgesegelt war, befand sich auf dem Kurs nach dem Eiland Wahnhall, nach den Todespfeilern Exinn und Skyll.
Eine einzige Botschaft hatte Necron seinem Augenpartner in schriftlicher Form übermittelt, als er die Hoffnungs-Inseln querab sichtete.
Ich segle im Auftrag der Alptraumritter auf den Spuren Guinhans, des Hochritters.
Bei mit ist Prinz Odam. Seine Gemahlin Shezad regiert sein Reich.
Wir wollen die Todespfeiler passieren und in die Schattenzone einfahren.
Die Guinhan, so nenne ich mein Schiff, ist tüchtig und schnell.
Prinz Odam und ich suchen im Auftrag der Alptraumritter das legendäre Carlumen zu finden.
Daran dachte Necron, der Alleshändler, Alptraumritter, Steinmann und Augenpartner des Shallad. Er sah die Volksmassen und die bunten Farben der Krönungsfeierlichkeiten in Logghard. Seine Ohren hörten durch die Geräusche des Tauwerks, der knarrenden Planken und der gischtenden Wellen hindurch, daß sich Schritte ihm näherten. Schnell änderte Necron seine eigenen Gedankenbefehle. Er sah nicht länger mehr die Krönung und die Zinnen der Ewigen Stadt, sondern blickte in die tief versteckten Augen hinter der zersplitterten Schicht des Schlackenhelms.
Mit hohler Stimme sagte Prinz Odam aus der Mundöffnung des Helms:
»Drei Schiffe aus dem Westen. Unbekannte Schiffe, Necron.«
Mürrisch erwiderte der Alleshändler:
»Sie kommen im schlechtesten Augenblick. Noch weiß ich nicht, was sie vorhaben.«
»Schlimme Dinge kommen immer im schlechtesten Moment«, pflichtete ihm Odam bei. »Wenn sie aus Wahnhall kämen, müßten wir uns fürchten, denn dort herrschen Wahnsinn und tödlicher Irrwitz.«
Necron sandte weiterhin das Bild, das seine Augen aufnahmen, zu seinem Augenpartner. Also erkannte Luxon nun die Gestalt Odams, die Aufbauten des Schiffes und die drei Fremden, die ihre Segel herumschwangen und direkten Kurs auf die Guinhan nahmen.
Als Luxon, der offensichtlich ruhig in einem Sessel saß, seinen Willen einsetzte und
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