Der neue Herrscher
lehnten sich an die wuchtigen Quadern des Palasts.
Der Sessel gehörte, so sagte die Überlieferung, dem Shallad Rhiad. Breite Bänder aus Gold mit schwarzen Ätzzeichnungen darin hielten die Holzteile zusammen. Die Zimmerleute des Palasts hatten das Holz ausgebessert, und das Gold war auf Hochglanz poliert worden. Die Plattform und die hölzernen Stufen waren mit Teppichen ausgelegt worden. Das Krönungsgeschenk einer Gruppe von Händlern aus Horien, ein riesiger Wandteppich, in den horische Hirten und Nomaden Kampfszenen eingewebt hatten, bedeckte die Plattform.
Immer mehr Bewegung gab es auf der Terrasse.
Man sah die langgezogenen Fanfaren in den Sonnenstrahlen aufblitzen. Luren und Gongs wurden herangeschleppt und in einem bestimmten Muster aufgestellt. Hin und wieder probte einer der Männer leise, indem er ins Horn stieß oder mit dem Schlegel leicht die funkelnde Fläche des tonnenförmigen Gongs berührte. Jedesmal ging ein Schauder der gespannten Neugierde durch die Menschenmassen, die nun schon alle Straßen zu füllen begannen, die vom Platz wegführten.
Wieder verging, unter verschiedenen Zeichen der Vorbereitung, die eine oder andere Stunde. Mädchen kamen aus dem Palast, und Diener schleppten große Weinkrüge. Die Dienerinnen – viele waren in einer anderen Zeit, in einer anderen Stadt Sklavinnen Hadamurs gewesen und erfreuten sich nun der Freiheit – schenkten Wein an jedermann aus. Von der Terrasse her ertönte nach einigen kurzen Kommandos ein langer, rhythmischer Wirbel auf den gespannten Fellen unterschiedlich tönender Trommeln. Begeistert klatschten die Menschen, so gut sie es verstanden, im Takt mit.
Dann bestiegen die Chronisten, die Hüter und die Magier die Stufen und setzten sich, lange Reihen bilden, zu einem farbenprächtigen Bild zusammen. Unter ihnen nahmen mehrere Reihen aus Soldaten, Heeresführern, Abgesandten der Shalladad-Länder, Weise und Kaufleute Platz. Die Reihen wurden bunter. Dann kamen die Dienerinnen und die Diener des Palasts und mischten sich unter andere, ausgesuchte Gäste des Shallad.
Die nächste Gruppe, die den Palast verließ, stellte sich um den leeren Thronsessel auf. Es waren für Luxon die wichtigsten Frauen und Männer: seine Freunde. All jene, die treu zu ihm gestanden und ihm zahllose Male geholfen hatten. Als sie vollzählig waren, setzten die Instrumente hinter ihnen zu einem infernalischen Lärmen an. Hörner schrien wie verwundete Stiere. Trommeln und Gongs erzeugten in den Ohren den Klang eines Gewitters. Die Luren heulten schauerlich und scheuchten große Vogelschwärme auf. Überall auf den Zinnen des Palasts zog man die Fahnen des neuen Shallad auf.
Endlich kam, als der Jubel seinen Höhepunkt erreicht hatte, Luxon schweigend und ernst aus dem Palast, überquerte allein die Terrasse und stieg die wenigen Stufen hinunter, bis er vor dem Sessel stand. Er blickte seine Freunde an und schien mit seinen Augen sagen zu wollen, daß er besonders schmerzlich ausgerechnet den Alleshändler und Steinmann Necron vermißte, jetzt, zu dieser wichtigsten Stunde des vierten Tages.
Luxon trug ein kostbares Hemd, das von Gold- und Silberstickerei glänzte und funkelte. Ein breiter Gürtel aus blitzenden Schuppen und mit einer Schnalle, die einen Löwen- oder Fuchskopf versinnbildlichte, hielt den langen Dolch an seiner linken Seite. Er trug enge Hosen aus kostbarem Leder und darunter schlanke Stiefel mit den Sporen seines Vaters. Auch die Stiefel besaßen kostbar aussehende Schnallen.
Luxon blieb am Rand der Stufen stehen und machte langsam eine grüßende Gebärde. Sein langes, sonnengebleichtes Haar und seine breitschultrige, schlanke Gestalt wurden von jedermann bewundert; einen krasseren Gegensatz zum Shallad Hadamur gab es nicht. Der Jubel schlug über Luxon zusammen, und er wartete schweigend und mit einem kargen Lächeln darauf, daß man ihn sprechen ließ.
Ein letzter Fanfarenstoß aus zwanzig Instrumenten war das Zeichen. Langsam wurde es ruhiger. Schließlich rief Luxon, jedes Wort sorgfältig abwägend und so laut, daß man es am anderen Ende des Platzes verstehen konnte:
»Meine Freunde! Frauen und Männer aus allen Teilen des Landes! Gäste, Kuriere und Abgesandte!
Mein langer Weg hat vorläufig ein Ende gefunden. Heute werdet ihr mich zum Shallad machen. Es gibt unter euch kaum jemanden, der mich nicht kennt oder wenigstens von mir gehört hat. Euch allen und meinen Freunden, ohne deren Hilfe ich heute nicht hier stehen würde, sage ich,
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