Der Nine-Eleven-Junge - Bruton, C: Nine-Eleven-Junge - We can be heroes
gezogen?«, frage ich.
Jed funkelt mich an.
»Mik hatte eine Pistole?« Zum zweiten Mal innerhalb von fünf Minuten guckt Priti völlig verdutzt.
»Jed hat es gesehen.« Ich achte nicht auf die Blicke, mit denen er mich durchbohrt.
Priti sieht Jed an, doch er zuckt nur die Achseln.
Eine Stille setzt ein, in der ich beinahe die Rädchen in Pritis Kopf rattern höre. »Wie haben sie es dann geschafft, ihn zusammenzuschlagen?«, fragt sie.
Das habe ich mich auch schon gefragt. Denn selbst wenn seine Pistole ungeladen oder nicht scharf war, wie hätten die Biker es wissen sollen? Sie hätten ihn nicht angegriffen, wenn er ihnen eine Pistole unter die Nase gehalten hätte.
Jed zuckt nur wieder die Achseln, aber er wird knallrot im Gesicht.
»Du musst der Polizei sagen, was du gesehen hast, Jed«, sage ich.
»Und du musst lernen, Versprechen zu halten!«, fährt er mich an.
»Warum hast du nichts gesagt?«, will Priti wissen.
»Ich habe meine Gründe.«
»Was sind das für Gründe?«
»Loyalität. In meiner Familie gilt das noch etwas!«
Priti verzieht das Gesicht. »Okay, dann will ich meine Frage anders formulieren: Warum will dein Vater nicht, dass du den Bullen erzählst, was du gesehen hast?«
»Das geht dich nichts an!«
Und er weigert sich, noch ein Wort mehr dazu zu sagen. Er nimmt seinen Nintendo, wirft sich aufs Bett und tut so, als wären wir gar nicht im gleichen Zimmer wie er. Priti sagt, sie will sich nicht mit jemandem abgeben, der vorsätzlich den Lauf der Gerechtigkeit behindert, stürmt aus dem Zimmer und geht nach Hause. Ich sehe ihr nach, während sie im Eiltempo mit ihren Heelys zwischen den Journalisten hindurchfährt, dann nehme ich mein Skizzenbuch heraus und beginne mit einem neuen Bombenjäger-Comic, in dem Jed-Eye und Lil’ Priti sich über der Frage entzweien, ob sie die Polizei einschalten oder lieber auf eigene Faust versuchen sollen, das gekidnappte Mädchen aus den Händen der Geiselnehmer zu befreien. Aber ich bekomme nur ein einziges Bild hin, weil ich die ganze Zeit über das nachdenke, was Jed gesagt hat, und mich einfach nicht konzentrieren kann.
20. August
Als wir aufwachen und aus dem Fenster blicken, sehen wir, was in der Nacht jemand an die Tür der Muhammeds gesprüht hat: Pakis, gebt sie zurück! , steht dort in fetten roten Buchstaben. Mr. Muhammed versucht, es abzuwaschen, und die Kamerateams filmen ihn mit seinem Schwamm und seinem Eimer voll Waschbenzin. Die Farbe geht aber nicht runter.
Noch etwas anderes ist geschehen. Onkel Ian hat der Polizei verraten, dass Jeds Mutter am Tag der Hochzeitsfeier hier war. Er kommt wieder zum Haus, und diesmal hat er die nette Polizistin und den Polizisten dabei. Sie sagen, dass sie uns noch mehr Fragen stellen müssen. Begleitet werden sie von einer Frau vom Jugendamt, die auf Onkel Ians Ersuchen dabei ist, angeblich, um Jeds Interessen zu schützen – nur dass Jed darüber nicht besonders erfreut wirkt. Genau genommen scheint er nicht gerade begeistert zu sein, seinen Dad zu sehen.
Zuerst fragt der Polizist Oma und Opa, ob Tante Karen vorbeigekommen und sie »belästigt« hätte, wie Onkel Ian es ausdrückt. Onkel Ian sitzt auf der Sofalehne und hat den Arm um Jeds Schultern gelegt. Er beantwortet die meisten Fragen für Opa und Oma, obwohl er gar nicht dabei war.
Die Frau vom Jugendamt macht sich jede Menge Notizen, und einmal fragt sie: »Aber Karen Evans war vom Familiengericht ein Besuchsrecht eingeräumt worden, ist das richtig?«
Oma blickt auf, und Opa starrt Onkel Ian an.
»Jed wollte sie nicht sehen, und ich wollte ihn nicht zwingen«, antwortet Onkel Ian. »Stimmt’s, Sohn?«
Jed nickt nur. Im Arm seines Vaters sieht er kleiner aus als sonst.
Oma spitzt fest die Lippen, und Opa sieht verdutzt aus.
Doch dann beginnen die Polizisten, Jed und mir jede Menge Fragen zu stellen, und Onkel Ian hält die ganze Zeit den Arm um Jeds Schultern, als hätte er Angst, Jed könnte aus dem Zimmer rennen. Jed rutscht hin und her und kratzt sich immer wieder am Kopf, als hätte er Läuse oder was weiß ich.
Ob wir vor der Begegnung in der Gasse wussten, dass Tante Karen auf der Hochzeitsfeier war, fragt uns der Polizist.
»Nein«, antwortet Jed.
»Wusstest du, dass sie dir nachspioniert hat?«
»Nein … das heißt, doch.«
»Was denn nun?« Jetzt stellt der Polizist alle Fragen, nicht die nette Polizistin. Sie hält sich im Hintergrund und notiert alles.
»Glaub schon«, sagt Jed. Er kratzt sich so heftig am
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