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Der Nine-Eleven-Junge - Bruton, C: Nine-Eleven-Junge - We can be heroes

Der Nine-Eleven-Junge - Bruton, C: Nine-Eleven-Junge - We can be heroes

Titel: Der Nine-Eleven-Junge - Bruton, C: Nine-Eleven-Junge - We can be heroes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Bruton
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sage ich. Er weiß, dass es nicht an den Zwiebeln liegt, da bin ich mir ziemlich sicher, aber ich bin dankbar, dass er mich das gefragt hat.
    Dann fragt er mich etwas, das mich noch nie jemand gefragt hat. »Bist du wegen dem, was mit deinem Vater geschehen ist, ebenfalls wütend auf Muslime?«
    Wenn man beim 11. September ein Elternteil verloren hat, fragen einen die Erwachsenen seltsamerweise nie danach. Die anderen Kinder sind es, die solche Fragen stellen. Erwachsene tun alles, um das Thema bloß nicht anzuschneiden. Und wenn sie es anschneiden, sind sie danach ganz still, als hätten sie ein schlimmes Wort gesagt oder so was. Manchmal werden sie deshalb richtig ärgerlich und fangen an, sich geziert auszudrücken.
    »Eine Scheußlichkeit«, sagte eine Frau einmal. »Es ist eine Scheußlichkeit.« Oder sie reden von »Terrorismus« und »islamistischemFundamentalismus«. Aber was ich von alldem halte, das fragen sie mich nie.
    Nicht dass ich es ihnen je sagen würde, ich weiß es ja selbst nicht. Und auch als Shakeel mich danach fragt, sage ich nur achselzuckend: »Ich bin mir nicht sicher.«
    Shakeel hält einen Augenblick lang inne. Er ist mit dem Hacken der Zwiebeln fertig und schiebt sie in eine Schüssel. »Du weißt vielleicht, dass die Männer, die die Flugzeuge in die Twin Towers gelenkt haben, es taten, weil sie glaubten, im Krieg zu sein. Dass Amerika und der Westen einen Krieg gegen den Islam führen.«
    »Und tun sie das?«, frage ich. Weil ich nicht nach draußen will. Noch nicht. Und weil ich nie die Gelegenheit habe, darüber zu reden. Nicht richtig.
    »Das ist eine gute Frage«, sagt Shakeel, nimmt eine Süßkartoffel und beginnt sie zu schälen. »Ich vermute, je nachdem, wen du fragst, bekommst du unterschiedliche Antworten. Ich glaube zum Beispiel nicht, dass dein Großvater und Osama bin Laden dabei einer Meinung wären!« Er lacht.
    »Macht es denn überhaupt einen Unterschied?«, frage ich.
    »Ob wir Nine-Eleven als Kriegshandlung oder als Terrorakt betrachten? Ich glaube schon, und du?«
    Ich zucke wieder mit den Schultern.
    »Kollateralschäden werden als unvermeidbares – und sogar notwendiges – Element moderner Kriegführung angesehen«, sagt Shakeel. Er redet jetzt wie ein Lehrer. Priti hat erzählt, dass er das mit ihr auch immer macht. »Wusstest du zum Beispiel, dass bei den amerikanischen Raketenangriffen in Afghanistan für jedes legitime militärische Ziel durchschnittlich fünfzig unschuldige Zivilisten getötet werden?«
    Er wendet sich mir zu, als er das fragt. Ich schüttele den Kopf.
    »Nein. Das wissen nur sehr wenige«, sagt Shakeel. Ich beobachte, wie sein scharfes Messer rasch über die Süßkartoffeln fährt und das helle orange Fruchtfleisch unter dem schlammbraunen Äußeren freilegt. »Und wieso? Weil die USA in Afghanistan Krieg führen. Die toten Zivilisten werden deshalb einfach als unglückselige Opfer in einer Zeit des Krieges angesehen – aber die Frage ist, ob in der Wirklichkeit dieses Etikett den Tod von Zivilisten auch nur ein kleines bisschen weniger terrorisierend macht.«
    »Ich denke schon«, sage ich.
    »Wie du siehst, spielt das Etikett also tatsächlich eine Rolle.«
    Eine Zeitlang sagt keiner von uns etwas. Ich sehe zu, wie Shakeel das orange Fruchtfleisch in Würfel schneidet. Sein Messer fährt rhythmisch über das Hackbrett. Draußen kreischt Priti, und Jed brüllt etwas, das ich nicht verstehe.
    »Wenn es also ein Krieg ist«, frage ich, »wer hat ihn angefangen?«
    »Das ist noch eine gute Frage.« Shakeel lacht und sieht von seiner Arbeit auf. »Einige würden wahrscheinlich sagen, der Krieg hätte vor tausend Jahren begonnen, als die ersten Christen auf ihre Kreuzzüge gingen. Andere sagen, er begann am 11. September 2001.«
    »Aber wenn der Krieg erst begann, nachdem die Flugzeuge in die Twin Towers einschlugen, kann es keine Kriegshandlung gewesen sein, oder?«, frage ich. »Dann war es Terrorismus.«
    »Genau deshalb streitet man sich über Definitionen«, sagt er.
    In diesem Moment gibt es draußen einen lauten Krach, gefolgt von Geschrei. Shakeel blickt raus. »Ich glaube, soeben wurde gegen meine kleine Schwester ein Terrorakt verübt. Ich vermute, darauf folgt nun der totale Krieg.«
    Er grinst. Und ich ebenfalls.

25. Juli
    Jed muss heute zum Gericht, weil Tante Karen ihn sehen will und sein Dad es nicht will – oder weil Jed es nicht will, ich bin mir nicht mehr sicher. Jedenfalls kommt Onkel Ian im Anzug und holt Jed zu der

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