Der Nine-Eleven-Junge - Bruton, C: Nine-Eleven-Junge - We can be heroes
mir ein buschiges Paar sprechende Augenbrauen vor.
»Sie sagen, dass er ein netter Kerl war, aber dass er zu diesen Leuten gehörte, die oft zur falschen Zeit am falschen Ort sind.«
»Das kannst du garantiert nicht an seinen Augenbrauen sehen!«, erkläre ich verächtlich.
»Oh doch, das geht!«
»Woher willst du wissen, dass er immer zur falschen Zeit am falschen Ort war?«
»Ich habe nicht ›immer‹ gesagt. Und du musst zugeben, dass der 11. September 2001 kaum der richtige Tag war, um das World Trade Center zu besuchen, oder?«
Da kann ich ihr eigentlich nicht widersprechen, also versuche ich es gar nicht erst.
»Was ist denn deine Erinnerung?«, fragt sie.
»Ich weiß noch nicht.«
»Na, dann denk mal lieber nach!«
Sie besteht darauf, dass wir uns beide still hinsetzen und etwas schreiben. Das tue ich auch.
Erinnerung an meinen Vater, von Ben Andrew Barry Evans
Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich an meinen Dad erinnere oder ob ich es mir nur einbilde. Vielleicht habe ich das, woran ich mich zu erinnern glaube, nur auf einem Bild gesehen oder von jemandem erzählt bekommen. Ich glaube, ich erinnere mich, wie ich auf seinen Schultern saß und wir unter einem Baum durchgingen und einige Blätter über mein Gesicht strichen. Ein anderes Mal stand ich auf einer Fensterbank und sah zu, wie das Müllauto durch die Straße fuhr und die Müllmännerdie Tonnen auskippten, und Dad hielt mich fest, damit ich nicht fiel. Ich glaube nicht, dass mir irgendjemand so etwas erzählt haben kann. Aber vielleicht habe ich gesehen, wie ein anderer Vater das Gleiche mit seinem kleinen Jungen machte, und jetzt glaube ich, dass es mir selbst passiert sein muss. Oder habe ich es vielleicht im Fernsehen gesehen?
Darunter zeichne ich ein kleines Bild von einem Fernsehbildschirm mit einem kleinen Jungen und seinem Dad.
Ich wünschte, ich würde mich an mehr erinnern. Wie kommt es, dass man sich nicht an das erinnern kann, was man als kleines Kind erlebt hat? Ist darüber jemals ein Buch geschrieben worden? Ist es zu lange her? Sogar Mum sagt, sie vergisst Dinge, die mit Dad zu tun haben, und deshalb sei es okay, wenn mir das auch passiert, aber ist es okay, dass ich alles vergessen habe?
Ich glaube, ich erinnere mich, wie er mir einmal die Haare gewaschen hat und ich aufschrie, weil mir Seife in die Augen kam. Ich denke, das ist eine Erinnerung, oder? Ich hoffe, dieses Zeug zählt – es ist ein bisschen erbärmlich, aber besser geht es nicht. Tut mir leid, Dad. In Liebe, Ben.
Und darunter male ich ein kleines Bild von Rolltreppen, die nach oben und nach unten fahren; er fährt auf der einen runter, ich auf der anderen hoch, sodass wir uns knapp verpassen.
»Ist dir schon aufgefallen, dass deine Initialen BABE sind?«, ist das Erste, was Priti sagt, nachdem sie es gelesen hat.
»Meine Mum fand das süß«, sage ich und spüre, wie ich rot werde.
»Warum belasten Eltern uns mit solchen sozialen Handicaps?«, sinniert Priti und klingt mehr denn je wie ihre Mum. »Und dann noch Barry!«
»Das ist der Vorname meines Opas«, sage ich.
»Das ist okay, denke ich. Dein Opa ist cool!«
Ich frage mich, was Opa dazu sagen würde.
Dann liest Priti vor, was sie geschrieben hat:
Erinnerungen an Bens Vater, von Priti Muhammed
Ich habe Bens Dad nie kennengelernt, aber ich denke, man sollte toten Menschen immer einen Vertrauensvorschuss geben, und deshalb gehe ich davon aus, dass er wahrscheinlich ein sehr netter Mensch gewesen ist (auch wenn er Villa-Fan war, was gegen ihn spricht). Ben ist nett, und seine Großeltern auch. Sein Opa kann ein bisschen brummelig sein, aber er hat einen traurigen Verlust erlitten, und deshalb steht nichts anderes zu erwarten. Wenn er (Bens Vater) so war wie der Rest der Familie, dann war er sicher ganz in Ordnung.
Wie auch immer, man sollte toten Menschen immer einen Vertrauensvorschuss gewähren. Falls Bens Vater wirklich tot ist. Er könnte ja genauso gut in einem Zeugenschutzprogramm sein oder von Außerirdischen entführt oder so schrecklich entstellt, dass er wie ein Einsiedler leben muss, damit niemand sein abscheuliches Antlitz sehen muss (Antlitz habe ich von Shakespeare). Sind diese Möglichkeiten je in Erwägung gezogen worden?
Wenn er tot ist, dann muss er nett gewesen sein, weil nur die Besten jung sterben (das habe ich mal irgendwo gelesen). Das heißt,dass ich bestimmt neunzig werde, und Zara bleibt sicher unter uns, bis sie zweihundert ist und total verschrumpelt - Mann, wird sie
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