Der Nine-Eleven-Junge - Bruton, C: Nine-Eleven-Junge - We can be heroes
zittert (obwohl es gar nicht kalt ist). Als wir ihn fragen, was los ist, erwidert er: »Nichts!«
»Kam mir nicht wie nichts vor«, entgegnet Priti. »Was ist passiert?«
»Nichts ist passiert«, sagt Jed.
»Gut«, sagt Priti. »Du brauchst es uns nicht zu erzählen, wenn du nicht willst.«
»Es gibt nichts zu erzählen.«
»Wenn du es sagst.«
Wir trinken abwechselnd aus der Dose mit dem Apfelwein, und mir wird langsam schlecht von der Brühe. Jed starrt auf die Gasse, aber weder Mik kommt zurück noch Onkel Ian oder Zara. Priti vermutet, dass Mik und Zara vielleicht über den Gartenzaun zum Haus zurückgekehrt sein könnten. »Vorausgesetzt, Mik hat Romeo und Julia nicht auf frischer Tatertappt. Sonst heißt es natürlich: Hasta la vista , Zara«, sagt sie grinsend.
»Mein Dad musste nach Hause fahren«, sagt Jed irgendwann.
»Und warum konntest du das nicht gleich sagen?«, fragt Priti.
Die Stimmung der Party hat sich verändert. Statt orientalischer Musik wird britischer Pop gespielt. Einige jüngere Leute tanzen, während die älteren Gäste sich allmählich auf den Nachhauseweg machen. Zara kommt aus dem Haus und beginnt mit einer Gruppe orientalischer Mädchen zu tanzen. Sie trägt einen neuen Sari – diesmal ist er grün-golden – und hat neuen supergrellen Lippenstift aufgetragen, und sie grinst ganz breit, als wäre alles in bester Ordnung, aber sie trägt eine Sonnenbrille, obwohl die Sonne gar nicht mehr scheint. Und von Mik gibt es noch immer keine Spur.
Ich weiß nicht, wie spät es ist, als mit dem Aufräumen begonnen wird, aber es wird schon dunkel. Wir kriechen aus unserer Apfelweinbude. (Mir ist schwindlig und übel, und der Himmel sieht irgendwie ganz hell aus, obwohl wir bald Nacht haben.) In dem Augenblick höre ich, wie Mrs. Sanders nach Stevie ruft.
Mrs. Sanders ruft auf die Art, bei der meine Oma immer zuerst missbilligend den Kopf schüttelt und dann ärgerlich wird, wenn sie hört, wie irgendwelche Frauen im Supermarkt so ihre Kinder rufen. Mrs. Sanders kreischt, dass Stevie mit dem Unsinn aufhören soll: »So, kleine Madam, wo zum Teufel steckst du!« und »Du kommst jetzt auf der Stelle hierher, sonst setzt es was!« – solche Sprüche eben. Ich sehe, wie Oma blass wird, denn sie findet es einfach schrecklich, wenn Erwachsene so mit Kindern reden.
Doch nach einer Weile fängt Mrs. Sanders an zu fragen: »Wo steckt sie denn nur?«, und dann: »Hat jemand meine Tochter gesehen?«, und plötzlich klingt sie sehr besorgt. Schon bald suchen die Leute überall nach Stevie – und niemand kann sie finden.
»Wahrscheinlich ist sie nur irgendwo eingeschlafen«, sagt Opa. Jemand vermutet, sie könnte in ein Auto oder eine Garage geklettert sein und dort jetzt gefangen sitzen, und wir sehen an allen derartigen Stellen nach, die infrage kommen. Und die ganze Zeit wird es immer dunkler, und Stevie ist nirgendwo zu finden.
Jemand fragt uns drei, ob wir eine Idee hätten, wo sie sein könnte. Ich antworte, dass sie im Park gewesen ist, aber Priti funkelt mich an und behauptet, wir hätten sie nicht gesehen, und Jed sagt gar nichts. Einige Männer, darunter Opa und Stevies Vater, gehen in den Park, um dort zu suchen, und als Opa zurückkommt, meckert er über zerbrochene Bierflaschen und noch mehr Graffiti, aber von Stevie haben sie keine Spur gefunden.
Oma tröstet Stevies Mutter, die große dicke Tränen weint (die vermutlich nach Apfelwein schmecken), und sogar Stevies Vater, der ein großer Mann ist, wirkt kleiner und nicht mehr so betrunken, und niemand weiß mehr, wo man noch suchen kann.
Jemand schlägt vor, die Polizei zu rufen (wodurch Stevies Mutter noch lauter aufheult), und Oma schickt Jed und mich ins Haus. Sie wolle nicht, dass uns etwas zustößt, sagt sie.
Und plötzlich wird mir klar, dass Stevie etwas passiert sein könnte. Bisher habe ich geglaubt, sie hätte sich irgendwo versteckt und wäre eingenickt oder hätte sich verlaufen und würde gefunden, wie sie auf dem Sofa eines Nachbarn schläft oder soetwas. Ich war zu sehr damit beschäftigt, darüber nachzudenken, was mit Jeds Eltern und mit Zara, Mik und Tyreese los ist, dass mir überhaupt nicht der Gedanke kam, Stevie könnte in Gefahr sein. Ich glaube, Jed hat durchaus daran gedacht, denn er wirkt noch bedrückter und aufgewühlter als sonst.
Jed und ich gehen hinein, aber wir sehen aus unserem Fenster zu, wie die Erwachsenen alle Stellen, an denen sie schon nachgesehen haben, noch einmal überprüfen. Und
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