Der Nine-Eleven-Junge - Bruton, C: Nine-Eleven-Junge - We can be heroes
während Jed und ich im Flur warten müssen. Jed macht zwar weiter ständig Witze, aber er ist wieder in einer ganz komischen Stimmung.
»Glaubst du, sie sprechen auch mit deinem Dad?«, frage ich.
»Warum sollten sie das denn wollen?«, fährt er mich an.
»Weiß ich nicht. Ich dachte nur.«
»Er weiß nichts, genau wie wir.« Jed starrt auf seine Schuhe und kickt damit gegen das Geländer.
»Aber wir waren fast die letzten, die Stevie gesehen haben«, wende ich ein.
»Nein, waren wir nicht«, sagt er sofort.
»Wie kommst du denn darauf ?«
»Was ist mit den Bikern und mit Zara und Mik? Sie haben sie alle nach uns gesehen. Sie sagen es nur nicht, das ist alles.«
»Also war sie noch da, als du wieder in den Park gegangen bist?«
Keine Antwort.
»Was ist mit deinem Dad? Hat er Stevie gesehen?«
Aber ich bekomme seine Antwort nicht zu hören, weil in dem Augenblick die Polizistin herauskommt und sagt, sie möchte uns sprechen.
Also müssen Jed und ich uns im Wohnzimmer nebeneinander aufs Sofa setzen, während die Polizistin uns gegenüber auf dem gepolsterten Hocker Platz nimmt. Er ist zu niedrig fürsie, und während sie uns Fragen stellt, sind ihre Knie fast auf der gleichen Höhe wie ihr Kinn. Sie spricht mit leiser Stimme im Rhythmus von Kinderreimen, als wären wir erst drei. Der andere Polizist steht am Fenster und tut so, als blickte er hinaus, aber ich weiß, dass er alles hört, was wir sagen: das alte Spiel vom guten und vom bösen Bullen.
Wann wir Stevie zuletzt gesehen hätten, fragt die Polizistin.
»Im Park«, antworte ich.
»Wann war das?«
»Bin mir nicht sicher. Bevor es dunkel wurde«, sage ich.
»Wer war sonst noch da?«
»Die Biker«, sage ich. Aus irgendeinem Grund überlässt Jed das Reden ganz mir.
Ich sehe Oma und Opa an, die vor dem Kamin stehen, neben dem Bild von meinem Dad und Onkel Ian, und uns besorgt beobachten.
»Wisst ihr ihre Namen?«
»Nein«, sage ich, obwohl das eine Lüge ist, denn ich kenne ja Tyreese. Ich bin mir nicht sicher, warum ich es ihr nicht verrate.
»Wie viele von ihnen waren dort?«
»Vielleicht vier.«
»Bist du sicher?« Die Polizistin sieht von ihrem Notizblock auf. »Andere Leute haben ausgesagt, sie hätten gesehen, wie fünf junge Männer auf Motorrädern in die Sackgasse eingefahren wären.«
»Da waren nur vier«, sage ich.
Sie notiert es sich. »War sonst noch jemand da?«
Plötzlich wünsche ich mir, ich hätte unsere Aussage mit Priti abgesprochen. Ich schüttele den Kopf, was sich nicht ganz sosehr wie eine Lüge anfühlt, als hätte ich tatsächlich »Nein« geantwortet.
»Habt ihr jemanden zum Park gehen sehen, nachdem ihr ihn verlassen hattet?«
»Mik«, sage ich, und mir fällt auf, dass ich Mik seitdem gar nicht mehr gesehen habe.
»Mikaeel Muhammed?«
Ich nicke.
»Weißt du, was er im Park wollte?«
»Nein.«
»Kannst du mir sagen, in welcher Stimmung er war?«
»Nein.«
»Sonst noch jemand?«
Ich wende mich Jed zu, aber er sagt kein Wort, starrt nur auf seine Füße. Fast scheint es, als wären wir ausgetauscht worden – heute ist er der Stumme und ich bin das Plappermaul.
»Ben«, spricht die Polizistin mich an, »hast du noch jemanden gesehen, der in den Park gegangen ist, nachdem du nicht mehr dort warst?«
Ich zögere, dann sage ich leise: »Ich glaube, Jed und Onkel Ian könnten noch kurz hingegangen sein.«
Jeds Kopf zuckt hoch, als wäre er plötzlich aufgewacht. »Nein, sind wir nicht!«
»Du bist weggerannt, nachdem …« Ich verstumme, weil mir einfällt, dass Oma und Opa gar nichts von Tante Karen wissen.
»Ich war aber nicht im Park, du Blödian!« Jed starrt mich an, und sein Gesicht ist rot vor Wut.
»Okay, dann warst du eben nicht da«, sage ich.
»Wohin seid du und dein Dad denn gegangen, Jed?«, fragt die Polizistin.
»Nur … rumgelaufen.«
»Wo?«
»Was spielt das für eine Rolle? Im Park waren wir nicht, okay?«
»Okay«, sagt die Polizistin und blickt zu dem Polizisten am Fenster, der bisher noch kein Wort gesprochen hat.
»Mehrere Zeugen haben ausgesagt, im Park hätte es ausgesehen, als hätte dort ein Kampf stattgefunden, und andere sagten, sie hätten laute Stimmen gehört – aber heute Morgen war alles aufgeräumt.« Der Polizist blickt Jed und mich scharf an. »Hat einer von euch beiden einen Kampf gesehen oder gehört?«
»Nein«, sage ich.
»Nein!«, wiederholt Jed einen Sekundenbruchteil später.
»Und hat einer von euch jemanden gesehen, der sich dort herumtrieb,
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