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Der Nobelpreis

Der Nobelpreis

Titel: Der Nobelpreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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und rutschte von mir fort. Ich folgte ihr, ihre Konturen mehr erahnend als erkennend, ertastete das Kopfkissen. Sie zog eine schwere, warme Decke über uns. Das Bett war schmal für zwei Personen.
    »Du könnest den Arm um mich legen«, schlug sie vor.
    Ich bin kein sonderlich begabter Umarmer, was von den Frauen, mit denen ich es zu tun hatte, oft beklagt worden ist. Bei meinen diversen Abenteuern hatte ich es immer vorgezogen, rasch das Weite zu suchen, sobald vorbei war, worauf ich es abgesehen gehabt hatte. Die Frauen, mit denen ich länger zusammen gewesen war, hatten es ebenfalls nicht besonders geschätzt, dass ich ein Bett für mich alleine brauchte, um einschlafen zu können.
    Doch hier und heute schien es das Selbstverständlichste der Welt zu sein. Ich legte den Arm um sie, und unsere Körper passten ineinander wie zwei Teile eines Puzzles. Ihre Haut war weich, in den letzten Minuten aber kalt geworden.
    Und ich hatte ja schließlich nicht vor, einzuschlafen.
    »Übrigens«, sagte sie nach einer Weile, »das war toll.«
    Ich blinzelte. Ich war nicht am Einschlafen, nein, ich hatte nur kurz an etwas anderes gedacht. »Toll? Was denn?«
    »Wie du über mich hergefallen bist. Mein lieber Schwan, so stürmisch ist in meinem ganzen Leben noch niemand auf mich los.«
    Ich sagte erst mal nichts. Dachte nach, nichts Bestimmtes. Ich horchte in mich hinein, aber in meinen Lenden rührte sich nicht das Geringste. »Na ja«, meinte ich. »War vielleicht ein bisschen zu stürmisch.«
    »Ich fand’s trotzdem toll.«
    Ich gab nur ein unbestimmtes Brummen von mir, weil ich nicht wusste, was ich sagen sollte. Überhaupt war mein Gehirn auf einmal wie abgeschaltet. Genau wie mein Schwanz. Lag das womöglich am Alter? Immerhin war ich inzwischen siebenunddreißig. Das war schon fast vierzig, und von da an ging es ja angeblich abwärts mit der Manneskraft. Jedenfalls, früher hatte es nie länger als eine Viertelstunde gedauert, ehe ich wieder fit für eine zweite Runde gewesen war. Allerhöchstem zwanzig Minuten.
    »Sag mal«, begann sie wieder und rieb meinen Arm, »schläfst du?«
    »Ich? Nein. Ich hab nur an was gedacht.«
    »An was denn?«
    »Wie lange es her ist, dass ich das letzte Mal mit einer Frau geschlafen habe.«
    »Sechs Jahre, dachte ich.«
    »Ja, schon. Aber was das für eine lange Zeit ist. Darüber habe ich nachgedacht.«
    »Ach so. Ja. Das ist eine lange Zeit.«
    Ich betrachtete den schmalen Strich orangegelben Lichts. Wie ein Schnitt durch die Dunkelheit sah er aus. Er flimmerte ein wenig, jedenfalls kam es mir so vor.
    »Wie heißt du eigentlich wirklich?«, kam auf einmal die Frage, eine Frage, die beantwortet sein wollte, und ich sagte: »Gunnar. Gunnar Forsberg. Kristina ist meine Nichte.«
    Ein Laut des Erstaunens. Ihre Haut fühlte sich wieder warm an, schien mit meiner zu verschmelzen.
    »Dann bist du der Bruder? Der mit Kristinas Mutter zusammen aus dem Waisenhaus geflohen ist?«
    »Ja.«
    »Ehrlich?«
    »Ja.«
    Sie bewegte sich ein wenig, aber mein Arm war tonnenschwer und hielt sie gefangen. »Weißt du, was ich mich immer gefragt habe? Wie ihr das mit den Ausweisen und so weiter gemacht habt. Ich meine, normalerweise können doch zwei Kinder nicht einfach eine Wohnung mieten und da wohnen, in die Schule gehen, studieren … Ohne die richtigen Papiere geht das doch alles nicht.«
    Oh, in Wirklichkeit geht so viel, von dem man denkt, es geht nicht. Die Wohnung war überhaupt kein Problem gewesen. Unsere Dachwohnung in Södertälje, im Minnesvägen in Grusåsen, mit den schrägen Fenstern und der Einbauküche und den abgewetzten Möbeln und der blau gekachelten Dusche, die uns vorkam wie das Himmelreich. Kein Mensch hatte Papiere sehen wollen. Wir hatten Geld gehabt, Bargeld, und das war alles, was den Vermieter interessierte. Dass es so etwas wie polizeiliche Meldepflicht gibt, hatten wir nicht einmal gewusst. Wir hatten uns nicht darum gekümmert, und niemand hatte sich um uns gekümmert.
    Inga hatte darauf bestanden, dass wir beide zur Schule gehen. Wenn man nichts lernt, kommt man nicht gut durchs Leben, hatte sie gesagt.
    Dafür, ja, hatten wir Papiere gebraucht.
    »Ich bin allen nachgeschlichen, die in der Stadtverwaltung gearbeitet haben, und habe ausspioniert, was sie arbeiten und wo sie wohnen und so weiter«, erzählte ich. »Einer hatte eine Geliebte. Den habe ich erpresst. Er hat uns alle Papiere und Einträge verschafft, damit keiner mehr was von uns wollte.«
    »Und ihr habt wirklich

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