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Der Nobelpreis

Der Nobelpreis

Titel: Der Nobelpreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Sonderteil berichtete über die Nobelvorlesungen am Sonntagabend, zitierte aus den Vorträgen, natürlich auch aus dem von Sofía Hernández Cruz. Die war sogar abgebildet, eine hagere Gestalt von professoraler Würde hinter dem weißen Rednerpult. Machte was her, die Frau.
    Das Wasser kochte, der Kaffee bildete Klumpen, die Milch im Kühlschrank war am Umkippen. Na ja. Der erste Schluck schmeckte nicht nur scheußlich, er verbrannte mir auch die Zunge. Ich beschloss, mich in Geduld zu üben, holte mein Mobiltelefon und rief Hans-Olof an.
    »Du!«, ächzte der bloß anstatt einer Begrüßung.
    Irgendwie waren heute alle besonders nett zu mir. Ich fragte, ob er etwas von Kristina gehört habe.
    »Nein«, sagte er knapp. »Nichts. Absolute Funkstille. Genau, wie sie es gesagt haben.«
    »Und sonst?«
    »Auch nichts.«
    Ich überlegte, ob ich ihm von meiner Besichtigungstour zu später Stunde erzählen sollte, aber er fragte nicht nach, und so beschloss ich, dass ich es ihm nicht auf die Nase binden musste. »Wir sollten uns allmählich Sicherheitsmaßnahmen für dich überlegen«, meinte ich.
    Einen Moment lang herrschte Schweigen. »Was?«, kam dann. »Was für Sicherheitsmaßnahmen?«
    »Ich habe mir gedacht, am besten tauchst du einfach erst mal unter. Ich behalte das Haus und so weiter im Blick und versuche herauszufinden, wie hartnäckig die sind. Im schlimmsten Fall müssen wir dich außer Landes schaffen. Ich habe für beides Kontakte, aber ich muss erst überprüfen, was die noch wert sind.«
    »Vergiss es«, schnaubte er. »Ich gehe nirgends hin.«
    Oha! Was war das denn? »Sobald die Nobelfeier gelaufen ist, bist du Freiwild«, sagte ich. »Ist dir das klar?«
    »Ach was. Ist mir scheißegal.«
    Offenbar war er am absoluten Tiefpunkt angelangt. Ich sah aus dem Fenster, in einen graublauen Montagmorgen unter pergamentenem Himmel, und hatte auf einmal das Gefühl, dass es meine Pflicht war, meinem wenig geliebten Schwager Hoffnung zu machen, auch wenn ich selbst keine hatte. »Es ist noch nicht alles verloren«, sagte ich also und erzählte ihm, dass ich Dimitri aufgespürt hatte und dass er dabei sei, die Diskette zu entschlüsseln. »Es muss einen Grund geben, dass die Datei so aufwändig verschlüsselt ist. Und dass Hungerbühl sie in einem Tresor aufbewahrt hat.«
    Ich hörte Hans-Olof eine Weile atmen. »Wer ist Dimitri?«, wollte er dann wissen.
    Ich schilderte ihm Dimitri Kurjakow in den leuchtendsten Farben. Ein Computerhacker von Gottes Gnaden, ein Mann mit magischen Händen und dem überragenden Intellekt russischer Mathematiker, jemand, der jedes Computersystem in die Knie zu zwingen imstande war. War es nicht geradezu ein Gütesiegel, dass die Polizei Russlands, der USA und noch eines halben Dutzends weiterer Länder ihn steckbrieflich suchte? Nicht nur das, selbst die schwedische Ausländerpolizei, die ja bestimmt nicht leicht in Bewegung zu setzen war, fahndete nach ihm und schien sogar gewillt, ihn auszuliefern.
    »Und du hast ihn gefunden? Obwohl er untergetaucht war?«
    Hans-Olof klang skeptisch. Ich verstand, warum: Er fragte sich, was es brachte, unterzutauchen, wenn man anscheinend trotzdem leicht aufgestöbert werden konnte.
    »Ich hatte Kontaktadressen, und ich kenne ihn ziemlich gut«, sagte ich also rasch. »Anders wäre es unmöglich gewesen.« Das war ein bisschen übertrieben. Tatsächlich neigte Dimitri – abgesehen von seiner Telefon-Paranoia – dazu, verheerend unvorsichtig zu sein. Aber ich hatte das Gefühl, dass es nicht schaden konnte, ein bisschen zu übertreiben.
    Hans-Olof klang dennoch nicht überzeugt. »Ich weiß nicht. Vielleicht hat die Diskette mit Kristinas Entführung gar nichts zu tun.«
    »Das werden wir wissen, sobald Dimitri sie entschlüsselt hat.«
    »Hmm«, meinte Hans-Olof.
    Das schien ihn alles nicht besonders aufzubauen. Was konnte ich ihm noch sagen, das ihn davor bewahren würde, durchzudrehen? »Wenn du nicht abtauchen willst«, erklärte ich, »dann werde ich dir am Mittwoch Gesellschaft leisten.«
    »Gesellschaft? Bei was?«
    »Vor dem Fernseher. Wenn die Nobelfeier übertragen wird. Und danach neben dem Telefon.«
    »Ach so.« Hans-Olof klang müde. »Okay. Von mir aus.« Er zögerte. »Lass uns jetzt Schluss machen. Ich erwarte jeden Moment einen Doktoranden. Ich glaube, ich höre ihn schon auf dem Gang.«
    »Alles klar«, meinte ich. Immerhin schien er nicht mit der Schnapsflasche in der Gosse zu sitzen. »Ich melde mich, sobald ich was Neues

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