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Der Nobelpreis

Der Nobelpreis

Titel: Der Nobelpreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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noch einmal und noch einmal, blinzelte, um das Gefühl zu vertreiben, dass ich das alles nur träumte. Per Fahlander! Da stand es, schwarz auf weiß. Und bei Namen gibt es keine Übersetzungsprobleme.
    »Es ist kein Zufall«, sagte ich zu Dimitris leerem Wohnzimmer.
    »Was?«, kam es von draußen.
    »Ich sagte, es ist kein Zufall.« Ich raffte die Blätter zusammen und stand auf. Alles tat mir weh. Ja, es war wirklich kalt. Draußen pfiff ein scharfer Wind, und die Kälte drückte durch die Ritzen. Ich pfefferte den Papierstapel auf den Sessel, schnappte mir die Pistole und wankte hinüber ins Schlafzimmer.
    »Es ist kein Zufall«, wiederholte ich und erklärte Dimitri, was ich entdeckt hatte. »Per Fahlander kennt natürlich meine ganze Lebensgeschichte, schließlich betreut er mich schon seit zwanzig Jahren. Ich habe ihm über das Waisenhaus mehr erzählt als sonst irgendjemandem auf der Welt.«
    »Aber trotzdem, das ist doch ein irrer Zufall, oder?«, meinte Dimitri skeptisch, der inzwischen seine Hose an hatte, aber noch mit seinem halb umgedrehten Pullover kämpfte. »Ausgerechnet dein Bewährungshelfer ist ausgerechnet mit der Haushälterin von diesem Rütlipharm-Typen befreundet, und dann auch noch …«
    In meinen Ohren pochte ein Herzschlag wie aus dem Hammerwerk, und in meinem Kopf schoben sich die Puzzleteile mit dröhnender Unausweichlichkeit zusammen. » Deshalb hat die Polizei die Pension gestürmt. Hungerbühl ist aus der Schweiz zurückgekommen, hat natürlich von dem Einbruchsalarm gehört, hat in seinem Büro in den Tresor geschaut und festgestellt, dass die Sicherungsdiskette seines wichtigsten Projektes verschwunden ist. Das will er nicht an die große Glocke hängen, aber ihm ist sein Kontaktmann zur Unterwelt eingefallen, Per Fahlander. Der wiederum hat sich daran erinnert, dass ich nach Rütlipharm gefragt hatte, ich, Gunnar Forsberg, Einbrecher und Industriespion. Sie zählen eins und eins zusammen und setzen die Polizei in Marsch.«
    Dimitri blinzelte. »Puh. Wenn du mich fragst, das klingt abenteuerlich.«
    Puzzleteile. Klick. Rums. Und mein Instinkt schlug Alarm, Alarm, Alarm. »Kristina ist in dem Waisenhaus«, konstatierte ich. Es war keine logische Überlegung, es war reiner Instinkt. Nie in meinem Leben war ich mir einer Sache so sicher gewesen. »Wenn Kohlström der Helfershelfer für Rütlipharm ist, dann ist sie dort. Jede Wette. Womöglich steckt sie im gleichen Loch, in dem ich schon gesessen habe. Oder sie ist zumindest dort gewesen …« Jede Zelle meines Körpers signalisierte Zustimmung. Jede Zelle meines Körpers bebte vor Wut, vor Angst, vor Entschlossenheit.
    Heute konnte es geschehen, dass ich jemanden tötete.
    »Dimitri«, sagte ich mit pumpenden Lungen, »ich brauche dein Auto. Unbedingt. Sofort.«
    »Ja, klar«, sagte Dimitri. »Du kriegst es. Und du kannst das Schießeisen woandershin halten, du kriegst es trotzdem.«

KAPITEL 46
    Als ich aus dem Haus kam, lag die Siedlung still und dunkel da und begann, im Schnee zu verschwinden. Ein ganz typischer Geruch erfüllte die Luft. Es würde einer jener Schneeeinbrüche werden, die das Land unter sich begraben, als leere oben jemand riesige Kipplaster aus.
    Kein Grund, innezuhalten. Meine Wut würde alles wegschmelzen, das stand außer Frage.
    Ich fand einen Saab an der Stelle, die Dimitri beschrieben hatte, der Schlüssel passte, und innen stank es nach seinen Zigaretten: Es musste sein Wagen sein. Alles, was ich anfasste, war schmutzig und eiskalt, aber der Motor sprang an, nachdem ich ihn durch hinreichend häufiges und nachdrückliches Drehen des Zündschlüssels davon überzeugt hatte, dass ich nicht aufgeben würde. Und, o Wunder, der Tank war voll.
    Der Schneesturm wartete, bis ich Stockholm hinter mir hatte, ehe er mit voller Wucht zuschlug. Auf einmal war um mich herum nur noch jenes schäbige Grau-Weiß, das aus zu viel Schnee, zu viel Nacht und zu wenig Scheinwerferlicht entsteht, und ich spürte, wie die Reifen zu rutschen anfingen und der Wagen zu tänzeln begann. Langsamer. Andere blieben ganz stehen. Ich fuhr an einem guten Dutzend Autos vorbei, die am Straßenrand angehalten hatten, darunter mindestens drei dieser alten, panzerartigen Volvos, die sonst vor nichts zurückschrecken.
    Noch langsamer. Was mir jetzt um keinen Preis der Welt passieren durfte, war ein Unfall. Die Polizei suchte nach mir, und wenn ich ihnen außerhalb Stockholms in die Hände fiel, würden sie mich zurück ins Gefängnis verfrachten,

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