Der Nobelpreis
Aufgebracht? Fühlen Sie sich auf unverzeihliche Weise betrogen?
Dann wissen Sie, wie mir in dem Moment zumute war.
Nur, dass ich eine Waffe in der Hand hatte.
In meinem Kopf drehte sich alles. Belogen! Manipuliert! Eine Marionette war ich gewesen, und Hans-Olof hatte an meinen Fäden gezogen … Und ich hatte ihm vertraut! Nicht nur das, ich hatte ihn bedauert, hatte mir regelrecht Sorgen um ihn gemacht, hatte um seine seelische Gesundheit gefürchtet …!
»Du Schwein«, sagte ich. »Du feiges Schwein.« Ich hob die Pistole. »Du hattest das hier. Du hättest einfach vor dem Gefängnis auf mich warten und mich abknallen können. Wenn du ein Mann gewesen wärst und kein Feigling.«
Hans-Olof hob den Kopf. Ein ungläubiger Ausdruck trat in sein Gesicht.
»Du musst gerade reden«, flüsterte er. »Gerade du.«
Ich wollte etwas sagen, aber ein plötzlicher Schmerz wie ein Messerstich zwischen die Augen ließ mich verstummen. Auf einmal wusste ich, was er gleich sagen würde.
»Was hast du denn gemacht?«, fuhr er fort, immer noch in diesem wispernden, fassungslosen Tonfall. »Du bist aus dem Gefängnis gekommen, und Inga und ich haben dich aufgenommen. Uns um dich gekümmert. Wir haben eure alte Wohnung für dich hergerichtet. Was heißt wir … Ich war das. Ich habe deinen Kühlschrank aufgefüllt, eigenhändig, die Möbel zurechtgeschoben, die Böden gesaugt und das Bett bezogen; denn Inga war nach ihrer ersten Fehlgeburt endlich wieder schwanger und musste viel liegen … Und du? Was hast du gemacht?«
Ich sah ihn an. Der Presslufthammer in meinem Schädel dröhnte. Ich hatte Inga hereingelassen, als sie eines Spätabends vor der Tür gestanden hatte, mit einem Koffer in der Hand, heulend und im vierten Monat schwanger. Ich hatte ihr altes Bett bezogen und ihr einen heißen Tee gemacht. Ich hatte ihr gesagt, dass sie bleiben könne.
»Du hast bei uns gegessen und mit uns die Bilder von unserer Hochzeit angeschaut und hast immer wieder wissen wollen, wie wir uns kennen gelernt hatten. Man hat dir angesehen, dass es dir nicht recht war. Meinst du, ich habe nicht mitbekommen, wie oft du Inga gefragt hast, was sie an mir findet?
Du hast sie regelrecht bedrängt, wenn ich nicht da war. Sie hat es mir erzählt.«
Ich ließ die Hand mit der Pistole sinken. Hatte er es mir angesehen? Gut beobachtet. Er war mir damals schon wie ein alter Mann vorgekommen. Ich begriff bis auf den heutigen Tag nicht, wie meine Schwester, die ein bildhübsches Mädchen gewesen war, sich jemanden wie Hans-Olof hatte aussuchen können.
»Soll ich es dir sagen, was sie an mir gefunden hat? Sie wusste, dass ich ihr treu war. Sie wusste, dass ich niemals eine andere Frau ansehen würde. Sie wusste, dass sie sich auf mich hundertprozentig verlassen konnte. Das hat sie gesucht, und das konnte ich ihr geben. Wenn schon sonst nichts. Ich weiß, dass ich kein Mann bin, nach dem sich Frauen umdrehen; das habe ich auch schon gewusst, ehe du aufgetaucht bist. Inga hat mir vertraut. Sie hat keine Sekunde gezögert, mir den anonymen Brief zu zeigen. Sie hat kein Wort davon geglaubt. Die Schrift, die Wortwahl, das Briefpapier – es musste eine ältere Frau sein, und wir haben uns gemeinsam den Kopf darüber zerbrochen, wer. Wer, und warum jemand solche Gerüchte über mich in die Welt zu setzen versuchte.«
Aber Inga hatte mich trotzdem angerufen und mir davon erzählt. Ich hatte ihr gesagt, sie solle sich keine Sorgen machen; entweder sei es eine Verwechslung oder einfach eine verrückte alte Frau. So schön sei Hans-Olof ja nun wirklich nicht, dass an den Behauptungen etwas dran sein könne. Worauf mich Inga einen eifersüchtigen Idioten genannt hatte.
»Dann diese Anrufe. Erst eine Frau, die nach mir fragt. Eine unbekannte, ziemlich jung klingende Frau. Am Tag darauf, zur selben Zeit, ein Anruf, bei dem sich niemand meldet. Am nächsten Tag wieder. Es klingelt, man hört nur, wie jemand atmet und wortlos auflegt. Dreimal, dann war es vorbei.«
Daraufhin hatte Inga mich nicht angerufen. Aber ich hatte sie angerufen, um zu fragen, wie man Teerflecken aus einer Hose herausbekommt, und da hatte sie es erwähnt. Und sie hatte mir anvertraut, dass sie und Hans-Olof keinen Sex mehr hätten, seit sie schwanger war, weil sie Angst hatte, auch dieses Kind wieder zu verlieren. »Meinst du, das könnte ihm so viel ausmachen, dass er … es woanders sucht?«
Ach was. So wichtig kann ihm Sex nicht sein, hatte ich gesagt, schließlich ist er, bevor er
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