Der Nobelpreis
Kristinas Erinnerung zu streichen. Und nun solltest du freikommen, so früh schon, und ausgerechnet jetzt? Ich bin in Panik geraten. Du würdest nach Kristina fragen. Du würdest dich nicht davon abhalten lassen, sie zu suchen, egal, was ich dir erzählte. Du würdest sie finden, bestimmt, und sie würde dir erzählen, warum sie weggelaufen ist, und dann – dann würdest du mich umbringen, so, wie du es geschworen hast.«
Seine Hände waren unwillkürlich zum Hemdkragen gewandert, lockerten ihn. »Im Fernsehen kam etwas über das Flugzeugunglück von Mailand. Da ist mir die Idee gekommen, wie ich es machen könnte. Ich habe die Zeitungen nach allem durchgesehen, was sich noch verwenden ließ. Da war die Todesanzeige dieses Reporters, Bengt Nilsson. Das habe ich alles zu der Geschichte verarbeitet, die ich dir im Gefängnis erzählt habe.«
Er schüttelte den Kopf. »Meine einzige Sorge war, dass es dir auffallen würde, dass deine Freilassung, von der ich so tun musste, als hätte ich sie eingefädelt, ausgerechnet am ersten Dezember war. Aber das schien dir nicht seltsam vorzukommen. Du bist sofort auf Rütlipharm los, wie ich es erwartet hatte. Ich musste bloß die Polizei anrufen, als ich wusste, dass du drin bist, von einer Telefonzelle aus, und ich dachte, damit ist das Problem gelöst. Sie würden dich erwischen und zurück ins Gefängnis stecken, und ich würde wieder sicher vor dir sein, vielleicht für immer.«
»Aber ich bin entkommen«, sagte ich tonlos. An meiner Schläfe spürte ich eine Ader pochen.
»Ja«, nickte er. »Das ist mir bis heute unbegreiflich. Ich hatte mir das High Tech Building vorher angesehen. Ich war mir sicher, dass es daraus kein Entkommen gibt, wenn jemand in einem der oberen Stockwerke ist und die Polizei unten alles abriegelt. Und dann rufst du am Mittwochmorgen einfach an!«
Ich sagte nichts. Wartete nur. Horchte auf das Pochen.
»Mir ist fast das Herz stehen geblieben. Wir haben telefoniert, und ich dachte jeden Moment, ich fange an zu schreien. Es hat hundert Jahre gedauert, bis du endlich aufgelegt hast, und danach war ich so nass geschwitzt, dass ich nach Hause fahren musste, um zu duschen und neue Sachen anzuziehen.«
Hans-Olof holte Luft, sein Brustkorb bebte hörbar. »Beim Duschen kam mir eine Idee, wie ich es noch einmal versuchen konnte. Eine verrückte Idee, etwas, mit dem du nicht rechnen würdest. Ich kenne das Haus, in dem der Niederlassungsleiter von Rütlipharm wohnt. Es gehört dem Konzern, und der Vorgänger Hungerbühls, der selber Pharmakologe war, hat mich vor Jahren einmal zum Essen eingeladen. Ich bin also statt ins Institut nach Södertälje gefahren, bin die ganze Gegend abgegangen, habe eine geeignete Telefonzelle gesucht, habe mir alles wieder und wieder durch den Kopf gehen lassen, bis ich überzeugt war, dass es diesmal bestimmt funktionieren würde. Dann bin ich nach Hause, habe eines von Kristinas Stirnbändern geholt und dich angerufen.«
»Und das hier?« Ich hob die Pistole wieder.
Hans-Olof hob müde eine Augenbraue. »Eine spontane Idee. Ich habe sie von meinem Vater, und der hat sie aus dem Krieg mitgebracht. Ich dachte, wenn ich es arrangieren kann, dass man dich mit einer Waffe in der Tasche erwischt, bin ich auf der sicheren Seite.« Er ließ die Augenbraue wieder sinken. »Nie im Leben hätte ich damit gerechnet, dass du verschläfst! «
Sein Blick wanderte eine Weile über den Couchtisch, ehe er weitersprach. »Ich war wie vor den Kopf gestoßen, als ich deine Nachricht auf der Mailbox abhörte. Wenn du nur eine Minute – eine Minute! – früher angerufen hättest, hättest du mich erreicht. Ich hätte mit meiner Bombendrohung noch warten können, bis du drin bist, und alles wäre gelaufen wie geplant! Es war wirklich nicht schwer, den Entnervten zu spielen, als du endlich aufgetaucht bist.« Er schüttelte den Kopf. »Ich hatte das Gefühl, dass mir die Sache über den Kopf wächst. Und dann bist du mit deinem Tonbandgerät angekommen! Was sollte ich machen? Ich konnte es nicht ablehnen, ich konnte aber auch keine Erpresseranrufe inszenieren – wie hätte ich das denn machen sollen? Schließlich bin ich auf die Lösung gekommen, die Erpresser im Büro anrufen zu lassen. Sie sagen zu lassen, dass sie sich erst nach der Preisverleihung wieder melden. Bis dahin musste mir eben etwas einfallen.«
Er sackte etwas in sich zusammen. »Dein geplanter Einbruch bei Bosse Nordin war meine letzte Hoffnung. Als das auch schief ging,
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