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Der Nobelpreis

Der Nobelpreis

Titel: Der Nobelpreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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zog einen anderen, rot eingebundenen Ordner hervor. »Machen wir uns lieber an die Arbeit. Wir müssen einen Job für dich finden. Und diesmal muss es was Legales sein.« Er schlug den Ordner auf. Es waren ungefähr drei oder vier Blätter darinnen, obwohl Platz für hundertzwanzig gewesen wäre, wie mir meine berufliche Erfahrung mit dem Fassungsvermögen von Aktenordnern sagte.
    »Bemüh dich nicht«, winkte ich ab. »Du hast bestimmt Klienten, die so eine überwältigende Auswahl nötiger haben als ich.«
    Fahlander blickte gekränkt drein. »Das sind lauter reelle Sachen, keine Scheißjobs.«
    »Danke. Ich habe zurzeit noch ein paar Dinge zu erledigen und bin damit eigentlich erst mal ausgelastet.«
    »Hmm«, machte er und lehnte sich mit einem Gesichtsausdruck äußerster Skepsis in seinem Sessel zurück. »Ich hoffe, es ist nicht das, was ich denke, dass es ist.«
    »Ist es nicht.« Ich war schließlich neuerdings im Entführungsbekämpfungsgeschäft; absolutes Neuland für mich. »Und Per, bitte – gib jetzt nicht den fanatischen Streiter für Recht und Gesetz, ja? Nicht du.«
    »Das sei mir fern. Ich wollte nur zu bedenken geben, dass du, so wie ich die Sachlage sehe, dir nichts mehr erlauben darfst. Nicht das Geringste. Du bist auf Bewährung draußen, das heißt, erst mal würden die sechs Jahre Altlast fällig, dazu die neue Strafe, die selbst im optimistischsten Fall mindestens so hoch würde wie die vorige; damit wären wir schon bei achtzehn Jahren. Und die müsstest du absitzen bis auf die letzte Minute; noch mal Bewährung ist nicht drin. Sprich, du wärst an die sechzig, wenn du freikämst. Wahrscheinlicher aber ist, dass du eine höhere Strafe wegen Uneinsichtigkeit und womöglich Sicherheitsverwahrung aufgebrummt bekämst. Mit anderen Worten, wenn man dich noch einmal mit den Fingern in einer Akte erwischt, die dich nichts angeht, verlässt du die Haftanstalt erst im Sarg wieder. Ich nehme an, das ist dir klar?«
    »Sonnenklar. Ich werde ungefähr dreimal pro Tag von fürsorglichen Menschen daran erinnert.«
    »Kein Grund zum Spott, wenn du mich fragst.«
    »Ich spotte nicht. Oder denkst du, ich bin scharf darauf, gleich wieder dort zu landen, wo ich gerade herkomme?«
    Fahlander gab einen missmutigen Grunzlaut von sich.
    »Ich habe noch nie gewusst, was du denkst, und ich bin zu alt für Ratespiele. Also, im Moment kein Bedarf für eine Arbeitsstelle, habe ich das richtig verstanden?« Auf mein Nicken zuckte er mit den Schultern und schob die Unterlagen wieder zusammen. »Tja, dann sind wir schon fertig. Das übliche Seelenklempner-Geschwafel können wir uns, glaube ich, sparen. Das kennst du alles, und mir hängt es auch zum Hals raus.«
    Ich blieb sitzen. »Ich habe noch eine Frage, die du mir beantworten könntest.«
    Er hielt mitten im Aufstehen inne und musterte mich skeptisch. »Kommt darauf an.«
    »Habe ich jemals für Rütlipharm gearbeitet?«
    Fahlander schob die Augenbrauen zusammen, sodass die steile Falte auf seiner Stirn wieder entstand, die früher ständig zu sehen gewesen war. »Nein.«
    »Die Sache damals in England? Wann war das? 1991, glaube ich. Im August. Bei Glaxco. Auch ein Pharmariese.«
    Fahlanders Gesicht blieb ausdruckslos. »Mag sein. Aber das war der Auftrag einer Computerfirma. Es ging um die Angebote für ein neues Firmennetzwerk, wie du dich vielleicht erinnerst.«
    Es fiel mir in dem Moment wieder ein, als er es sagte. Ich nickte. »Ja, richtig.« Und noch etwas anderes fiel mir ein. »Im Jahr darauf habe ich eine kleine belgische Firma durchleuchtet. Bilanzen, versteckte Belastungen, Mitarbeiterprofile, Rezepturen und so weiter. Und ein paar Monate später ist sie von Rütlipharm gekauft worden.«
    Fahlander holte ein Taschentuch hervor und schnäuzte sich gemächlich. »Zufall«, sagte er dann.
    Ich lehnte mich zurück. »Du würdest mich natürlich nie belügen.«
    »Würde ich dich belügen?«, wiederholte er und sah einen Moment sinnend vor sich hin, als sei das durchaus näherer Überlegung wert. »Ich weiß es nicht, aber auf jeden Fall hab ich dich nie belogen. Ich hab dir vielleicht nicht immer alles gesagt. Das ist was anderes. Aber belogen hab ich dich nie.«
    Das stimmte, das musste ich zugeben. Er hatte mich auf eine kriminelle Laufbahn dirigiert und eine Menge Geld mit mir verdient, aber angelogen hatte er mich tatsächlich nie. Über die Auftraggeber meiner Jobs hatte er stets geschwiegen, doch das verstand sich von selbst. Schließlich hatte er im

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