Der normale Wahnsinn - Roman
vernichten müsste. Wie dem auch sei, ich hab alle verdächtigen Dinge außer Sicht und sämtliches Spielzeug aus dem Erdgeschoss nach oben geschafft. Sogar zwei der Kinder wurden zeitweise ausquartiert – Laura und Brendon übernachten heute bei Freunden. Kieran dagegen ist auf seinem Zimmer und schaut sich eine DVD an. Und Baby Josh liegt in seinem Bettchen. Okay, mein Zuhause wird niemals aussehen, als hätte es nie Kinder in seinem Innern beherbergt, aber heute Abend bin ich wirklich verdammt nah dran.
»Dom, mach doch mal auf!«, brülle ich durchs Haus.
Ah, okay, ich höre, wie er unsere ersten Gäste begrüßt. Es sind Ali und Paul. Scheiße . Auf dem Treppenabsatz stolpere ichüber ein sperriges gelbes Spielzeugauto. Ich schmeiße es in die Besenkammer und hetze ins Bad. Dort versenke ich eine herumliegende Barbie im Wäschekorb, bevor ich mich im Spiegel checke. Das Haar: In diesem Punkt sind Hopfen und Malz verloren. Das Gesicht: abgespannt und weit entfernt von faltenlos, doch passabel. Die Bluse: zerknittert, aber ohne Milchflecken, wie ich erleichtert feststelle.
Ich gehe nach unten und mache einen Abstecher in die Küche, um die Töpfe auf dem Herd zu inspizieren. Da höre ich Alis Stimme hinter mir: »Das riecht aber gut. Hast du mal eine Vase?«
Ali : »Die sind wunderschön«, sagt Siobhan und nimmt mir die Blumen ab. Ich verfolge, wie sie den Strauß in eine Vase stellt, dann in einem Topf herumrührt und mir schließlich ein Glas Wein einschenkt. Dies alles in einer einzigen fließenden Bewegung und während sie eine angeregte Unterhaltung mit mir führt. Sie sieht einfach toll aus. Die Haare, die Haut und die Figur, die nicht mittels eines postnatalen Trainingsprogramms wieder in Form gebracht wurde und doch immer noch sexy aussieht. Sie ist ganz anders als eine dieser durchgestylten Fernsehköchinnen. Sie ist mein großes Vorbild, und ich bete sie an. Doch gleichzeitig nervt mich ihr »Die Waltons an der Themse«-Idyll auch irgendwie.
»Wie geht’s dir, Ali«, fragt sie mich, während sie etwas Fischiges aus dem Ofen holt.
»Gut, sehr gut«, sage ich. Sie weiß ja, wie’s mir wirklich geht, aber sie kennt mich auch gut genug, das Thema nicht anzuschneiden, bis ich ihr signalisiere, dass es an der Zeit dazu ist. »Wer kommt denn heute Abend noch?«, frage ich, nachdem ich in der Essecke der Küche sechs Gedecke auf dem Tisch entdeckt habe.
»Kate und Marco«, sagt Siobhan. »Du weißt schon, die Kate, die ich bei der Schwangerenberatung kennengelernt habe, als ich Kieran erwartete. Sie ist Personalchefin bei einer großen Anwaltskanzlei in der Stadt. Eine sehr selbstbewusste, sehr dynamische berufstätige Mutter, also das genaue Gegenteil von mir.«
Sie scheint eine Schwäche für Frauen zu haben, die das genaue Gegenteil von ihr sind. Als da wäre zum Beispiel Ali, die Unfruchtbare, auf der einen und Siobhan, das Muttertier, auf der anderen Seite.
»Und was macht ihr Mann?«, frage ich.
»Marco? Der ist –«
»Serienkiller«, vollendet Dominic ihren Satz, als er mit Paul vom Wohnzimmer in die Küche kommt. »Entweder das oder Model für abgefahrene Kontaktlinsen. Der hat so stahlblaue Augen, dass es einem kalt den Rücken runterläuft.«
»Lass ihn doch in Ruhe«, sagt Siobhan. »Marco ist ein wirklich netter Typ. Und seine Augen sind wunderschön. Aber um deine Frage zu beantworten, Ali, er ist Grafikdesigner oder so. Macht Websites, Internetauftritte und dergleichen, glaube ich.«
»So was hab ich mir für meinen Laden auch schon überlegt«, sage ich. »Vielleicht sollte ich mich mal mit ihm unterhalten.«
»Ali findet, sie hinke ein wenig dem Zeitgeist hinterher«, erklärt Paul. »Selbst der Chippy-Imbiss ist inzwischen online.«
»Echt? Jetzt auch unser Nick?«, fragt Dominic.
Paul nickt. »Jup, seine Cyber-Lammwürstchen sind der Renner.«
»Ja, du solltest mal mit ihm reden, Ali«, sagt Siobhan.
»Mit Nick?«, frage ich.
»Nein«, lacht sie. »Mit Marco. Wenn ich Kate richtig verstanden habe, dann kann er den Auftrag gut gebrauchen. Er ist wohl ein bisschen zu schüchtern, um selbst rauszugehen und Klinken zu putzen.«
»Wohl eher ein bisschen zu beschäftigt damit, seine Serienmorde zu planen und durchzuführen«, sagt Dominic. »Man kennt das ja. Wenn sie mal wieder einen von denen geschnappt haben, dann sieht man immer irgendeinen Nachbarn, der im Fernsehinterview bestätigt, was für ein anständiger, unauffälliger Zeitgenosse der Täter doch war. Nur in
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