Der normale Wahnsinn - Roman
wenn einer mal wieder seine Ehefrau durchprügelt. Das alles läuft unter »Crowd Control«. Doch das Bändigen von Menschenmengen ist nun mal kein Job für Bruce oder Mel.
Und wie soll’s überhaupt weitergehen? Was tut man, wenn man in ein paar Wochen dreißig wird, von den Raten für ein winziges Apartment fast stranguliert und von der Freundin fast erdrückt wird? Von ’ner Freundin, die meint, dass alles schon gut werden würde, wenn ich ihr erst mal ’nen Antrag gemacht hab. Was in Gottes Namen soll ich also tun?
Ich bin auf dem Heimweg. Zurück ins winzige Apartment. Zeit zu frühstücken. Nach der Nachtschicht. Wenn ich komme, wird sie wie immer auf dem Laufband stehen, das fast die Hälfte unseres winzigen Schlafzimmers einnimmt. Ich werde unter die Dusche gehen. Wenn ich fertig bin, wird sie unter die Dusche gehen. Ich werde mir eine Tasse Tee machen und ihr schon mal ’nen Teebeutel in den noch leeren Becher hängen. Dann wird sie in die winzige Küche kommen, während ich meine Zigarette ausdrücke. Ich werde gähnen, ihr erzählen, wie erledigt ich bin. Dann werde ich mich ins Bett verkriechen und hören, wie sie das Haus verlässt.
Ruhe.
Nicht, dass Sie mich falsch verstehen. Ich mag sie. Liebe sie sogar, was auch immer das bedeuten soll. Sie ist ein wirklich nettes Mädchen. Aber sie ist einfach …
Na ja, vielleicht hat sie ja Recht. Vielleicht ist das Apartment wirklich winzig. Wenn wir umziehen würden in ein Haus mit zwei Stockwerken, einem Garten, wenigstens zwei Schlafräumen und kurz vorher noch zehntausend Pfund für eine Hochzeit auf den Kopf hauen würden, dann, ja dann könnte ich vielleicht wieder durchatmen. Vielleicht hat sie ja wirklich Recht …
Aber ich hab da so meine Zweifel.
Pass auf, Kumpel. Sieh auf die Straße. Es ist diesig draußen, und die Sicht ist schlecht. Es ist zwar erst kurz nach sieben, aber halb London ist schon auf den Beinen. Ich zünde mir ’ne Zigarette an. Ich weiß, ich rauche zu viel. Bald bin ich dreißig, und dann? Hab’s mit diesen Pflastern versucht, mit Nikotin-Kaugummis und sogar mit Hypnose. Der Typ meinte, ich wäre nicht leicht zu beeinflussen. Meinte, das würde für mangelnde Vorstellungskraft sprechen. Dieser Arsch. Als ich die Sitzung hinter mir hatte, hätte ich für ’ne Zigarette töten können und war um fünfundsiebzig Mäuse ärmer. Nichts hat geholfen. Meine Freundin meint, man könnte nur Erfolg haben, wenn man wirklich damit aufhören will . Klingt plausibel, oder? Und sie muss esschließlich wissen. Immerhin ist sie seit sechs Jahren von ihren Schokokeksen runter.
Ich stecke den Zigarettenanzünder zurück in die Buchse, sehe wieder auf, trete hart auf die Bremse und komme kurz vor einem Geländewagen zum Stehen, der urplötzlich von der Gegenfahrbahn auf meine Fahrspur gewechselt hat. Die Blonde hinterm Steuer starrt mich aus panisch aufgerissenen Augen an. Was fährt die dumme Kuh auch einen solchen Wagen, wenn sie ihn nicht im Griff hat. Ich ignoriere den sich anbahnenden Stau hinter mir, steige aus dem Astra und gehe auf den Offroader zu. Es ist ein Mercedes. Sofort geht die Hand der Blonden Richtung Türverriegelung. Kann es ihr nicht verübeln. Gibt einfach zu viele Irre hier. Und glauben Sie mir, ich hab sie gezählt. Ich greife in meine Tasche und hole meinen Polizeiausweis hervor. Den presse ich nun ans Seitenfenster, was zur Folge hat, dass die Blonde noch panischer aus der Wäsche schaut. Ich tippe gegen das Glas, und sie lässt das Fenster herunter. »Tut mir leid, Officer«, platzt sie heraus. »Keine Ahnung, wie das passieren konnte. Es tut mir so leid.«
Jetzt erkenne ich sie wieder. Erinnere mich, wie ich letzten Samstag auf der Fußmatte dieses Dummschwätzers gestanden hab. Das ist seine Freundin. Die Frau, die damals die Treppe raufging, als wir ihren Mann befragt haben. Auch heute zeigt sie aller Welt ihre Beine. Diesmal trägt sie statt des Jeansrocks ein kurzes Business-Kostüm. Geschäftsmäßig, aber immer noch aufreizend kurz. Auf dem Beifahrersitz liegt eine Aktentasche. Darauf eine Aktenmappe, offen. Nehme an, sie hat darin gelesen, statt sich auf den Verkehr zu konzentrieren. Sie sieht mich an und scheint zu überlegen, wie sie am besten wieder aus der Sache rauskommt. Sie scheint mich nicht wiederzuerkennen, aber warum auch. War schließlich im Dienst am Samstag, und in Uniform sehen wir doch alle irgendwie gleich aus, oder?
»Was machen Sie denn um diese Uhrzeit hier auf der Straße?«,
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