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Der normale Wahnsinn - Roman

Titel: Der normale Wahnsinn - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beaumont
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kroch ich in ihrem Büro auf Händen und Knien über den Boden und musste das Ding suchen. Ich kam mir vor wie ein Polizist, der jeden Zentimeter eines Tatorts nach verwertbaren Spuren abgrasen muss. Keith hat so was vor ein paar Monaten machen müssen. Spurensicherung nennt sich das, und es bringt ihn immer fast um den Verstand. Und als ich so über den kratzigen Teppich in Kates Büro kroch, da wusste ich, was er meinte. Vor allem, da ich noch nicht mal nach ’ner Tatwaffe suchte oder so. Nur nach einem blöden Strassstein, den ich nicht mal fand. Kate musste in ein Meeting, doch sie weigerte sich, mit den »ruinierten« Schuhen auch nur einen weiteren Schritt zu machen. »Das wird niemandem auffallen«, hab ich ihr gesagt. »Es sei denn, jemand kriecht im Rahmen einer Kanzleischuhüberprüfung mit einer Kerze und einem Vergrößerungsglas unter den Konferenztisch …« Okay, die Sache mit der Kerze und dem Vergrößerungsglas hab ich mir gespart. Kate hat wenig Sinn für Humor. Und für das Meeting trug sie dann meine Schuhe. Sogar meine einfachen Pumps waren ihr lieber, als ihre »ruinierten« Highheels.
    »Wer war das gerade am Telefon, Pam?«, fragt sie mich. Ich sehe, dass sie heute einfache schwarze Riemchensandalen trägt. Keine Perlen, kein Strass weit und breit. Dennoch sind es sehr elegante Schuhe.
    »Vic Richards«, sage ich. »Er wartet in Besprechungsraum drei auf Sie … Sie wissen schon, diese IT-Sache.«
    »Ja, ich weiß , danke. Bin schon unterwegs. Schauen Sie um12.30 Uhr mal rein, und holen Sie mich da raus. Jede Entschuldigung ist mir recht. Möchte auf keinen Fall meine Mittagspause verpassen.«
    Sie wird sich zum Lunch mit Diane Vickers treffen. Ein Headhunter. Aber die ist auch eine Freundin von Kate, also muss das nichts zu bedeuten haben. Diane ist die einzige Frau, die ich kenne, die genauso mager ist wie Kate. Sie haben einen Tisch bei einem Schickimicki-Chinesen mit Michelin-Stern ergattert, den Kate schon seit Monaten austesten will. Keine Ahnung, was der ganze Aufwand soll, weil die beiden ja ohnehin nie was essen. Die sollten sich lieber auf ’ner Parkbank treffen und sich dort ’ne rohe Karotte teilen. Da fällt mir gerade was ein: Vielleicht trifft sich Kate ja mit ihrem Headhunter, weil sie auf der Abschussliste steht? Und was zum Teufel würde dann aus mir?
    »Wie war denn das Meeting mit Kippsy?«, frage ich so beiläufig wie möglich.
    »Gut. Langweilig wie immer«, erwidert sie unverbindlich. »Schließen Sie das bitte in der Schublade meines Schreibtischs ein, ja?« Sie reicht mir eine Aktenmappe, die als »vertraulich« gekennzeichnet ist. Was zur Folge hat, dass ich nichts lieber täte, als reinzusehen … »Und unterstehen Sie sich reinzuschauen«, fügt sie hinzu. Verdammt, hat sie etwa meine Gedanken gelesen, oder was?
    »Niemals«, beteuere ich. Und ich meine es auch so. Falls sich darin nämlich wirklich die Abschussliste befindet, könnte ich wohl nicht anders, als meiner Empörung lautstark Ausdruck zu verleihen. Insofern ist’s wohl besser, wenn ich von nichts weiß.
    »Ach ja, und laden Sie das doch inzwischen für mich auf.« Sie wirft ihr Handy auf meinen Schreibtisch. Sieht ihr gar nicht ähnlich, den Akku einfach leerlaufen zu lassen. »Irgendwelche Nachrichten?«, fragt sie.
    »Ja, Christie hat angerufen. Sie ist im –«
    »Christie? Sagen Sie ihr, sie soll unverzüglich nach Hause zurückkehren und auf den Notdienst warten.« Spricht’s und stakstauf ihren Giraffenbeinen den Korridor entlang. »Und besorgen Sie mir ein paar neue Nylonstrümpfe. Mit denen kann ich unmöglich zu Hakkasan.« Aha, hat sie die Laufmasche also doch bemerkt.
    Vielleicht sollte ich Christie zurückrufen und fragen, wie’s Cameron geht. Zum Teufel mit dem Mechaniker. Kate wird das schon verstehen. Oder nicht? Natürlich wird sie das. Sie ist ja kein Monster, auch wenn es da gegenteilige Auffassungen geben sollte. Ich gehe in ihr Büro und verstaue die Aktenmappe in ihrem Schreibtisch (ohne reinzusehen!), stelle ihr Handy in die Ladestation und setze mich in ihren riesigen Chefsessel. Diese IT-Besprechungen dauern ewig, also kann ich meine Telefonate auch von hier erledigen. Ich würde Keith gern anrufen. Er verließ das Haus, als ich noch unter der Dusche stand. Wahrscheinlich ist er zum Laden an der Ecke gegangen, obwohl wir noch Milch, Brot und dergleichen hatten. Nein, erst mal sollte ich Christie zurückrufen. Ich wähle die Nummer ihres Handys, werde aber zur

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