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Der normale Wahnsinn - Roman

Titel: Der normale Wahnsinn - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beaumont
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ich ihn wissen.
    »Ach, Sie sind gar nicht seine –«
    »Nein, ich bin das Kindermädchen.«
    »Aha. Jedenfalls dürfen Sie das Handy hier drinnen nicht benutzen.«
    Und da bin ich eben nach draußen gegangen.
    »Haste mal ’ne Fluppe, Süße?«
    Ich schaue auf. Vor mir steht ein schmuddeliger Obdachloser. Na ja, ich vermute, er ist obdachlos, obwohl man so was ja niewissen kann. Jetzt erkenne ich ihn wieder. Der treibt sich immer beim Broadway rum. Hab ihn fast umgerannt an dem Tag, als ich meine Brieftasche verloren und dann das Knöllchen gekriegt hab – ein scheiß Tag war das, der mir verglichen mit heute jedoch richtig toll erscheint.
    »Sorry, ich rauche nicht«, sage ich ihm.
    »Und was machst du dann hier draußen?«, knurrt er, während er sich wieder trollt.
    Gute Frage. Ich stehe bis zu den Knöcheln in Zigarettenkippen. Und es ist saukalt. Wenn ich hier noch länger ausharre, hole ich mir noch ’ne Lungen … nein, dieser Spruch ist seit heute nicht mehr wirklich witzig.
    Ich will gerade das Handy abschalten, als ein Anruf reinkommt. Mein Klingelton ist »Suicide Blonde«, dieser alte INXS-Song, Sie wissen schon. Wie ich auf das schmale Brett gekommen bin? Können Sie sich das nicht denken? »Wir Aussies müssen Farbe bekennen«, hat Tanya gemeint und mich gedrängt, mir den Tune aufs Handy zu laden. »Wie wär’s denn in diesem Fall mit ’nem Song von Kylie?«, hab ich gefragt. »Die ist nicht ganz so scheintot.«
    »Kommt gar nicht in Frage«, hat Tanya gemeint. »Die ist doch inzwischen auch schon zu einem dieser scheiß Inselaffen mutiert.«
    Ich nehme den Anruf entgegen. Es ist Pam.
    Pam : »Christie, bist du das?« Ich bin so froh, sie endlich an der Strippe zu haben. »Ich versuche schon seit Ewigkeiten, Sie zu erreichen. Na ja, seit fünf Minuten, um genau zu sein. Wie geht’s dem Kleinen?«
    »Er hat ’ne Lungenentzündung.«
    Bitte? Er hat was? Hab ich gerade richtig gehört?
    »Ja. Er hat ’ne Lungenentzündung«, wiederholt sie.
    Hab ich also doch richtig gehört.
    »Scheiße«, sage ich. Lungenentzündung ist doch was Tödliches, oder? Vor meinem geistigen Auge erscheinen Bilder vonLeuten aus Viktorianischer Zeit, die scharenweise von Pneumonie-Epidemien dahingerafft wurden. Andererseits sind die Menschen damals auch an Zahnschmerzen gestorben, oder? Die Medizin hat seitdem offenbar große Fortschritte gemacht.
    »Wo ist Kate?«, fragt Christie.
    »In einem Meeting. Ich werde sie gleich holen.«
    »Ja, das wird wohl am besten sein.«
    »Gut, sie ruft Sie dann sofort zurück. In zwei Minuten spätestens.«
    Ich lege auf und fahre mit dem Aufzug ins Erdgeschoss. Dort laufe ich den Korridor entlang bis zu Besprechungsraum drei. Ich schaue durch das Fenster in der Tür und erkenne Vic Richards, einige andere aus der IT-Abteilung und Kate am Kopfende des Tischs. Ich klopfe an und trete ein. Das Gespräch wird abrupt unterbrochen, und alle Augen sind auf mich gerichtet. Stirnrunzelnd schaut Kate auf ihre Armbanduhr – kein Wunder, es ist noch viel zu früh fürs Mittagessen. »Was ist los?«, blafft sie.
    »Kann ich Sie kurz unter vier Augen sprechen?«, sage ich.
    »Wir sind hier mitten in einer Konferenz«, erwidert sie.
    »Es ist – Sie sollten besser mit mir nach draußen kommen, Kate. Es geht um Cameron.«
    Kate : Cameron . Ich hasse es, wenn so was passiert. Schlechtes Timing. Zwei Drittel aller Personen, die auf der Abschussliste stehen, sind Frauen mit Kindern. Und das, weil Frauen mit Kindern im Allgemeinen nur halbherzig bei der Sache sind. Ständig verabschieden sie sich »fünf Minuten vor Feierabend« wegen eines Schulkonzerts, eines Elternsprechtags und so weiter. Ich fühle mit ihnen, ja, das tue ich wirklich. Ich bin ja selbst Mutter und weiß, was für ein Kampf es ist, darüber die Arbeit nicht zu vernachlässigen. Und die Arbeit nicht zu vernachlässigen ist nun mal unerlässlich, sofern man bei der nächsten Kündigungswelle nicht dabei sein will. Ich hab versucht, mich für die Betroffenen einzusetzen, aber ich bin ja für diese Entscheidung nicht verantwortlich. Und was für ein Beispiel gebe ich nun selbst ab? Herrgott, ich bin die Chefin der Personalabteilung! Die Typen aus der IT-Abteilung schauen mich an. Ich weiß, was sie jetzt denken. Kein Wunder, sind ja auch alles Männer. Wann wurden sie das letzte Mal aus einem Meeting abberufen, weil sie sich um ihre Zöglinge kümmern mussten?
    »Bin sofort wieder zurück, Leute«, sage ich und zwinge ein Lächeln

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