Der normale Wahnsinn - Roman
auf mein Gesicht. Ich stehe auf und gehe hinaus zu Pamela auf den Flur.
»Tut mir leid, Kate«, sagt sie.
»Wenigstens sind es nur die Typen von der IT-Abteilung und nicht die Partner. Egal, was gibt es denn? Was kann so wichtig sein, dass Christie sich nicht selbst darum kümmern könnte?«
»Sie sollten sie besser anrufen.«
»Wo ist sie denn?«
»Im Krankenhaus.«
»Im Krankenhaus?« Ich spüre, wie meine Knie weich werden. »Was ist mit Cameron?«
»Er hat … offenbar eine … Lungenentzündung.«
»Lungenentzündung?«
»Sie sollten lieber Christie zurückrufen«, sagt Pamela. »Hier, nehmen Sie mein Handy.« Sie gibt mir ihr Telefon. »Die Nummer steht noch auf dem Display. Drücken Sie einfach den grünen Knopf.«
Knopf drücken, Handy ans Ohr pressen, warten …
»Christie, hier ist Kate. Was zum Teufel ist eigentlich los?«
Ihre Antwort hat die Wucht eines Wasserfalls, und ich verstehe nicht mal die Hälfte. Ich schnappe Worte auf wie »Fieber«, »bakteriell« und »röntgen« und unterbreche sie irgendwann. »Hören Sie mal, Christie , jetzt mal ganz ruhig. Geht es ihm gut?«
»Ja, ja«, sagt sie nach einer Weile. »Der Arzt meint, er will ihn über Nacht zur Beobachtung dabehalten, aber er sollte schon morgen, spätestens übermorgen wieder entlassen werden können.«
Ich kippe rückwärts gegen die Wand. Pamela legt eine Hand auf meine Schulter, aber ich schiebe sie weg. Sieht sie denn nicht, dass ich einfach nur erleichtert bin? Dass ich nicht etwa dabei bin, in Ohnmacht zu fallen oder so.
»Wo ist er jetzt?«, frage ich Christie.
»Noch in der Notaufnahme. Sie suchen noch ein freies Bett auf der Intensivstation für ihn.«
»Warum sind Sie nicht bei ihm?«
»Ich musste nach draußen gehen, um Sie anzurufen. Aber keine Sorge, er schläft gerade.«
»Sie sollten schleunigst zu ihm zurückgehen.«
»Das werde ich«, sagt sie. »Gleich nach diesem Telefonat. Ist es Ihnen möglich herzukommen?«
Denk nach, Kate, denk nach . »Welches Krankenhaus?«, frage ich.
»Er ist im Whittington.«
Im Whittington. Etwa vierzig, vielleicht fünfundvierzig Minuten von hier entfernt. Und weit und breit keine Möglichkeit, den scheiß Geländewagen zu parken. Ich könnte mit dem Taxi hinfahren. Das würde mich ein Vermögen kosten, aber immerhin ist das ein Notfall, oder nicht? Es ist jetzt kurz nach zwölf. Fast Mittagspause. Ich müsste meine Verabredung mit Diane absagen, aber sie würde das verstehen. Blödsinn, warum sollte sie? Sie hat nicht mal Kinder. Und das aus Überzeugung. Und ich müsste spätestens um 14.30 Uhr wieder im Büro sein. Zu meinem Meeting mit Colin Jelf. Der mit mir einen Schlachtplan für die morgigen Entlassungen ausarbeiten will. Um sicherzustellen, dass alles wasserdicht und juristisch abgesichert ist – immerhin ist das hier eine Anwaltskanzlei. Und er ist Seniorpartner, was bedeutet, dass es nahezu unmöglich ist, ihm auch nur zehn Minuten seiner kostbaren Zeit zu stehlen. Diane abzusagen ist eine Sache, aber Colin Jelf zu versetzen … Mann, ich mag nicht mal darüber nachdenken!
»Sie sagten, er schläft gerade?«, frage ich.
»Ja, er ist völlig weggetreten«, erwidert sie. »Der arme Kleine ist total erschöpft.«
Denk nach, Kate, denk nach . Es würde keinem nützen, wenn du jetzt Hals über Kopf aufbrechen und damit riskieren würdest, das Meeting mit Jelf platzen zu lassen. Nicht, wenn Cameron ohnehin gerade schläft. Und er ist dort auch in guten Händen. Das Whittington ist ein ausgezeichnetes Krankenhaus. Und Christie ist ja bei ihm. Obwohl ich allmählich anfange, ihre Fähigkeiten ernsthaft in Zweifel zu ziehen. Lungenentzündung . Wie um alles in der Welt konnte sie zulassen, dass so was passiert?
»Ich glaube nicht, dass es Sinn macht, jetzt alles stehen und liegen zu lassen und ins Krankenhaus zu hetzen«, lasse ich sie wissen.
Stille. Wirft sie mir meine Entscheidung etwa insgeheim vor? Wie kann sie es wagen! Man bedenke, wo der kleine Cameron gelandet ist! Und wer ist schuld daran?
»Hier ist gerade die Hölle los«, sage ich. »Ich hab ein wirklich wichtiges Meeting um 14 Uhr. Nicht auszudenken, was passiert, wenn ich nicht teilnehmen würde.« Wie komme ich eigentlich dazu, mich vor ihr zu rechtfertigen? Tatsächlich sollte es genau andersherum sein. Mein Sohn hat eine Lungenentzündung , Herrgott noch mal.
»Okay«, sagt sie schließlich. Nur »okay«.
»Sie bleiben doch bei ihm, oder?«
»Natürlich. Ich werde nicht von
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