Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Novembermörder

Der Novembermörder

Titel: Der Novembermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Tursten
Vom Netzwerk:
und sie bemühte sich weiterhin stillzuliegen.
    »Halt die Fresse, du Hure! Wenn wir jemanden fertig machen, dann dich!«
    Irene konnte mindestens drei verschiedene Lachen unterscheiden. Vielleicht sogar vier.
    »Sollen wir sie reintragen? Ich bin nass bis auf die Knochen.«
    »Schafft sie in den Schuppen.«
    Ihr gesamter Wille war notwendig, damit sie sich vollkommen schlaff von zwei Hell’s Angels tragen ließ. Sie schleppten sie eher, als dass sie sie trugen, sodass sie mit der Hüfte gegen den Türpfosten schlug. Ihren Kopf ließ sie nach unten hängen und versuchte nicht mit den Augenlidern zu zittern. Sie konnte das Keuchen hören, als sie Jimmy neben ihr hereinschafften. Anscheinend lebte er noch, da sie sich die Mühe machten, auch ihn hereinzuholen. Drinnen war es trocken, aber der Boden war eiskalt. Zu ihrem Entsetzen bemerkte sie, dass es ihr nicht gelang, die Kälteschauer zu verbergen, die ihren Körper durcheilten. Gegen ihren Willen schüttelte sie sich immer wieder, spielte aber weiter die Ohnmächtige.
    »Weck sie auf.«
    Ein kräftiger Tritt in die Seite. Sie konnte ein Jammern nicht unterdrücken, tarnte es aber mit einem leisen Murmeln. Dumpfe Schläge waren zu hören, als sie Jimmy traten, aber von ihm kam kein Laut. Nach einem weiteren Tritt war ihr klar, dass es an der Zeit war, das Drehbuch zu ändern. Jammernd drehte sie den Kopf und murmelte unzusammenhängende Worte.
    »Die Braut kommt zu sich!«
    Zucke mit den Augenlidern, sieh verwirrt und dösig aus. Achte darauf, den Überblick zu bekommen. Vier Kerle in Leder und eine kleine blonde Frau, auch sie in Lederkluft. Knapp einen Meter neben ihr lag Jimmy. Er war mit Lehm und Blut verschmiert, nicht wiederzuerkennen, sein Gesicht war angeschwollen. Aber er lebte. Sein Brustkorb hob sich schwer, wenn er atmete.
    »Was habt ihr auf unserem Land zu suchen, du und das andere Arschloch?«
    Das war der Große, Magere, der sich streitlustig über Irene beugte. Am besten nicht lügen. Jedenfalls nicht zu viel. Sie brauchte den Schwindel gar nicht zu spielen und musste nach den richtigen Worten suchen, gab sich aber viel Mühe, den Eindruck noch zu verstärken. Sie nuschelte: »Wir haben beobachtet … Drogen … Polizei.«
    Sie schloss die Augen und tat, als würde sie wieder in Ohnmacht fallen. Da war ein Telefonsignal zu hören. Durch einen kleinen Spalt unter den Augenlidern sah sie den dicken Anführer, der unschlüssig auf das Telefon guckte, das er in der rechten Hand hatte. Der Magere schnappte es sich und klappte es auf. Alle konnten eine beunruhigte Frauenstimme hören: »Irene? Hier ist Birgitta. Was ist los?«
    Zuerst sah er Irene unschlüssig an, aber dann hatte er sich offenbar entschlossen und hob das Telefon an den Mund.
    »Fuck you!«, schrie er.
    Danach klappte er es wieder zusammen und zeigte ein zufriedenes Grinsen. »Jetzt hat die Fotze was zum Nachdenken!«, erklärte er fröhlich.
    Der Anführer nahm Schwung von der hinteren Wand aus. Sein Faustschlag kam wie ein Eisenhammer und landete gezielt an der Kinnspitze des anderen. Aus Irenes Perspektive sah es so aus, als spränge dieser direkt in die Luft und verschwände. Aber aus dem folgenden Plumpsen zog sie den Schluss, dass er gegen die Tür geflogen war.
    Der kräftige Anführer massierte seine Knöchel, während er herumtönte: »Du Vollidiot! Wenn es in einem Bullentelefon klingelt, dann solltest sogar du kapieren, dass am anderen Ende auch so ein Scheißbulle ist!«
    Es freute Irene aus tiefster Seele, dass einer von dem Gesindel ganz eindeutig ausgezählt war. Zumindest für eine Weile.
    »O Kacke! Sie hat Drogenfahndung gesagt! Verdammter Scheiß!«
    Der Dicke lief hin und her und trat ihr mit einem schweren MC-Stiefel seitlich in den Brustkorb. Es knackte kurz, mindestens eine Rippe war gebrochen. Das Stöhnen, das über ihre Lippen kam, war ganz und gar nicht gespielt.
    »Nun red schon, du Scheißfotze! Wie lange wisst ihr schon von dem Versteck hier?«
    »Weiß nicht … Hinweis … es war ein Tipp.«
    »War es dieses Arschloch Bobo, hat der dir den Tipp gegeben? Antworte!«
    Zuerst war sie so überrascht, dass sie fast die Augen aufriss. Das war es also! Zwischen den Hell’s Angels und Bobo Torsson gab es eine Verbindung. Aber sie fasste sich schnell und tat so, als könnte sie nicht klar denken: »Weiß nicht … ich hab nicht … gesprochen.«
    »Kam der Tipp per Telefon?«
    »Ja.«
    »Und wann?«
    Um Gottes willen! Und wann? Wann war denn logisch? Sie musste auf

Weitere Kostenlose Bücher