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Der Novembermörder

Der Novembermörder

Titel: Der Novembermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Tursten
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Risiko, unfreiwillig kastriert zu werden. Und rein praktisch ist es ein Ding der Unmöglichkeit, die Pistole in der Tasche zu haben. In der Hosentasche ist nicht genug Platz und für die Jackentasche ist sie einfach zu schwer. Ein Beobachter, der mit einer Jacke herumläuft, bei der eine Seitentasche bis zum Knie herunterhängt, kann sich genauso gut gleich ein rotierendes Blaulicht auf den Kopf schnallen. Um das Halfter kommt keiner herum. Im Vergleich zur Walther hat die SIGSauer den Vorteil des gröberen Kalibers und der kräftigeren Wirkung. Die Nachteile sind aber ihr Gewicht und die Trägheit der Feder beim Entsichern. Für diese Pistole ist eine ganze Menge Kraft notwendig, eine schwere Waffe für schwere Jungs. Die Sigge ist schlicht und ergreifend macho. Irene zog die Walther vor. Auch wenn es Tommy zufolge notwendig war, den Lauf nach unten zu führen, wenn man losfeuerte, damit die Kugel überhaupt herauskullern konnte.
     
    Auf den kleinen Straßen holperten sie Sandsjöbacka entgegen. Der Wind packte das Auto und schüttelte es wütend. Der Regen prasselte herab. Es war unmöglich zu erkennen, wo sie eigentlich waren. Sie mussten sich mit Hilfe der Hinweisschilder und Wegweiser orientieren. Irene fuhr und Jimmy las die Karte im flackernden Schein der Taschenlampe. Schließlich faltete er die Karte zusammen und sagte: »Hier irgendwo müssen wir parken.«
    Fast hätte sie den kleinen Waldweg verpasst, trat in die Bremsen und fuhr ein Stück zurück. Den Wagen stellte sie bedrohlich nahe an einem großen Graben ab, in dem das Wasser wild schäumte. Aber das dürfte kein Problem werden, so lange wollten sie ja nicht wegbleiben. Sie würden schon wieder zurück sein, bevor der Graben überschwemmt wurde. Irene nahm die Karte und prägte sich noch ein letztes Mal ihren Weg ein.
    »Wir müssen diesem Kiesweg bis ganz ans Ende folgen. Dabei kommen wir an ein paar kleineren Häusern vorbei, ich nehme an, das sind Sommerhäuser. Danach gehen wir in den Wald und folgen dem Waldrand ungefähr vierhundert Meter lang.«
    Jimmy nickte und wieder spürte sie seine unterdrückte Erregung.
    Sie gingen los, die Lichtkegel der Taschenlampen auf den Boden gerichtet. Hier gab es keine Straßenlampen. Um zu sehen, wohin der Weg führte, und um nicht Gefahr zu laufen, in Kuhlen oder Senken zu treten, mussten sie ihre Lampen leuchten lassen. So konnten sie nur hoffen, dass das herrschende Unwetter und der dichte Wald sie deckten.
    Am Ende des Wegs lagen zwei kleine Ferienhäuser. In dem einen brannte Licht, aber sie konnten keinen Menschen darin entdecken und nichts hören. Links von sich bemerkte Irene einen großen Holzstapel. Sie beleuchtete ihn und für den Bruchteil einer Sekunde traute sie ihren Augen nicht. Der Lichtstrahl fiel auf ein großes, schwarzes Motorrad, das zur Hälfte hinter dem Holz versteckt war. Eine Harley Davidson, Choppermodell. Hinten war eine große Gepäckbox befestigt, auf der ein Schild informierte: »This bike belongs to a Hell’s Angel – If you don’t believe it, just try to mess with my bike!«
    Damit konnte diese Karre selbst in den schlimmsten Slumgegenden unverschlossen abgestellt werden. Die würde niemand klauen. Denn ein bisschen Selbsterhaltungstrieb hatten schließlich die meisten Menschen. Blitzschnell löschte Irene ihre Taschenlampe und Jimmy brauchte nicht viel länger. Sie standen unbeweglich da und lauschten in die Dunkelheit hinein. Aus dem Haus war nichts zu hören. Vorsichtig schlichen sie sich daran vorbei und bewegten sich dabei so leise sie konnten auf den Wald zu. Zum ersten Mal waren sie froh über das heftige Unwetter, das die Baumwipfel schüttelte. Es wurde zu einem Verbündeten, als sie aus Versehen auf heruntergefallene Zweige traten oder über verräterische Wurzeln stolperten und auf glatten Steinen ausrutschten. Endlich sahen sie das Licht des Häuschens nicht mehr und trauten sich wieder, ihre Lampen einzuschalten.
    Jimmy sah blass und verbissen aus. Durch den Regen klebte sein kurzes Haar platt am Kopf und Irene war froh, dass sie sich Katarinas Baseballkäppi aufgesetzt hatte, bevor sie das Auto verlassen hatten. Jimmy klang erregt, als er zischte: »Was hat das zu bedeuten? Ein Hell’s-Angels-Nest? Hier draußen im Wald?«
    Er war offenbar beunruhigt und das war sie auch, versuchte aber, es nicht so deutlich zu zeigen.
    »Wahrscheinlich haben sie den Winter über eine Hütte gemietet«, sagte sie und tat so, als würde sie das gar nicht stören.
    Sie drehte

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