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Der Novembermörder

Der Novembermörder

Titel: Der Novembermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Tursten
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kennen gelernt.«
    »Sie kennen ihn also überhaupt nicht?«
    »Nein.«
    Offenbar kam sie an dieser Stelle nicht weiter. Zeit, die Spur zu wechseln. Irene fuhr ruhig fort: »Wir haben außerdem Hinweise, dass Sie im Sommer von Richard von Knecht einen Ersatzschlüsselbund bekommen haben. Warum hat er ihn Ihnen gegeben?«
    Ihre Überraschung war nicht gespielt. Oder aber sie war eine bessere Schauspielerin, als Irene gedacht hatte.
    »Ersatzschlüssel? Ich habe keine Ersatzschlüssel von Richard gekriegt …«
    »Ihr Schwiegervater hat Ihnen keine Schlüssel gegeben?«
    »Nein.«
    »Dann hat Henrik sie also gekriegt?«
    Jetzt flackerte ihr Blick wieder, als sie antwortete: »Das glaube ich nicht.«
    »Das heißt, Sie wissen nicht, ob Henrik Ersatzschlüssel von seinem Vater gekriegt hat?«
    »Nein.«
    »Aber Sie wissen, dass es einen Bund mit Ersatzschlüsseln gab, nicht wahr?«
    »Nein, das sage ich doch! Nein!«
    Ein neuer Geruch drang durch das schwere Cartierparfüm. Angst.
    »Dann müssen wir Henrik fragen, wenn er zurückkommt«, sagte Irene.
    Sie tat so, als sähe sie auf ihren Block. Aus den Augenwinkeln heraus beobachtete sie, wie Charlotte sich entspannte und ein wenig in den Sessel zurückfiel. Offenbar glaubte sie, die Gefahr wäre vorbei. Nachdenklich meinte Irene: »Ach ja, Sylvia hat mir gestern gesagt, dass Henrik Mumps hatte, als er beim Militär war. Wahrscheinlich ist er dadurch zeugungsunfähig geworden, weil auch die Hoden befallen waren. Aber das scheint mir sonderbar, im Hinblick auf Ihre Schwangerschaft?«
    Die Frage blieb über ihren Köpfen in der Luft hängen. Charlotte sah aus, als hinge das Fallbeil der Guillotine über ihr. Sie wurde kreideweiß unter der Schminke und verlor die Fassung. »Was meinen Sie damit? Mir geht es nicht gut!«
    Sie sprang auf und lief in den Flur. Im Vorbeilaufen stieß sie eine große chinesische Bodenvase um. Die zerschellte auf dem Marmorboden vor dem offenen Kamin. Sie konnten hören, wie die Tür zur Toilette im Flur aufgerissen und wieder zugeworfen wurde. Tommy deutete mit dem Zeigefinger zum ersten Stock. Irene nickte, sie hatte es auch gehört. Ein leiser Bums, wie ein aufgeprallter Ball. Es gab jemanden im ersten Stock, und der hatte etwas auf den Boden fallen lassen.
    Nach fast fünf Minuten kam Charlotte zurück. Sie war gefasst, schien aber geweint zu haben. Ihre Stimme war eiskalt, als sie sagte: »Es ist Henriks Kind. Ich stelle mich gern für einen Test zur Verfügung. So einen, um die Vaterschaft festzustellen.«
    »Ein DNA-Test.«
    »Genau. Aber damit müssen Sie bis Mai warten. Und ich möchte, dass Sie jetzt gehen. Die Schwangerschaft setzt mir zu. Und das wird durch Ihre schrecklichen Fragen nicht besser. Als wäre ich in irgendeiner Weise verdächtig!«
    Als sie aufstanden, sah Tommy sie lächelnd an. Automatisch erwiderte sie das Lächeln, doch es erlosch, als er mit freundlicher Stimme sagte: »Das sind Sie auch.«
    Die Wut glühte hinter ihren Linsen. Irene fürchtete fast, sie könnten platzen. Diese kleine Person log, dass es nur so krachte, aber im Augenblick kamen sie bei ihr nicht weiter. Charlotte ging voraus in den Flur. Demonstrativ riss sie die Haustür weit auf, um sie nach draußen zu lassen. Tommy blieb stehen und schaute sich die protzigen Cowboyboots an, ohne ein Wort zu sagen. Er fing ihren Blick auf und lächelte vielsagend. Das war mehr, als sie ertrug. Ihre Hände zitterten, als sie Tommys Jacke packte und ihn hinausschob. Aufreizend sagte er: »Oho, das kann als Gewalt gegen Beamte gesehen werden.«
    »Das ist mir scheißegal. Ich werde Sie anzeigen! Familie von Knecht ist nicht irgendjemand! Sie werden Ihren Job verlieren!« Mit aller ihr zur Verfügung stehenden Kraft schlug sie die Tür zu.
    Erst als sie im Auto saßen, schaute Tommy Irene an und sagte: »Wir haben sie ganz schön scharf angepackt. Und wenn sie nun eine Fehlgeburt hat?«
    »Dann liegt das bestimmt eher am Alkohol und Gott weiß was noch, das sie sich reingekippt hat. Und sie wird keinen Anwalt anrufen. Der brennt der Boden unter den kleinen Füßchen! Apropos Füßchen: die Cowboystiefel. Und die Jacke. Wir müssen herauskriegen, wer bei ihr ist«, sagte Irene.
    Sie ließ den Wagen an, machte eine Kehrtwendung von 180 Grad und rollte die Straße hinunter. Als sie außer Sichtweite des Hauses gekommen waren, hielt sie den Wagen an und fragte: »Wer fängt an: du oder ich?«
    »Ich. Wenn was passiert, rufe ich dich an. Sonst kommst du nach dem Treffen

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