Der Novembermörder
hat …«
»Ja, das stimmt. Ich habe sie gesehen. Seit ein paar Jahren habe ich sie dreimal in der Woche mit der Straßenbahn kommen sehen. Sie ist immer so gegen drei Uhr nachmittags zurückgefahren. Aber am Mittwoch ist sie gegen zehn Uhr schon weggefahren«, lispelte die Frau.
»Haben Sie gesehen, ob ein Wagen angehalten hat, zu dem sie dann gegangen ist?«
»Ja, das stimmt, das habe ich gesehen. Aber die haben nur ganz kurz miteinander geredet. Das Auto ist fast sofort wieder weitergefahren.«
»Welche Marke war es?«
Zum ersten Mal sah die Verkäuferin im hohen Pensionsalter verunsichert aus.
»Welche Marke?«
»Ja, die Automarke. Was für ein Typ von Auto war es?«
»Ich kenne mich bei Automarken nicht so gut aus.«
Innerlich seufzte Irene, aber sie versuchte es zu verbergen.
»War es ein großes oder ein kleines Auto?«
»Ich weiß nicht. Ziemlich groß. Glaube ich«, sagte sie und saugte nachdenklich an ihren schlecht sitzenden Zahnprothesen.
»Erinnern Sie sich noch, welche Farbe das Auto hatte?«
»Nein. Vielleicht braun. Oder heller … Aber die kleine Putzfrau – übrigens war sie nicht eigentlich klein – ja, kurz – gewachsen, aber nicht klein. Ziemlich dick war sie. Sie trug einen weißen Schal und eine dunkelgrüne Jacke. Und dann hatte sie eine große rote Tasche in der Hand.«
Das stimmte mit Marjattas Beschreibung von Pirjos Bekleidung überein. Irene beschloss, das Auto erst einmal beiseite zu lassen.
»Können Sie mir erzählen, was geschah, als Pirjo zum Auto ging?«
»Sie ist hingegangen. Hat sich runtergebeugt und mit jemandem im Auto geredet.«
»Auf welcher Seite vom Auto stand sie?«
»Sie ist auf dem Bürgersteig stehen geblieben. Der Fahrer im Auto hat die Fensterscheibe auf der Beifahrerseite runtergekurbelt. Aber ich habe nicht viel sehen können, weil der Wagen ja vor der Putzfrau stand.«
»Dann saß der Fahrer mit dem Rücken zu Ihnen?«
»Ja. Aber die Autoscheiben waren so dunkel, dass ich nicht viel erkennen konnte. Ich glaube jedoch, dass der Fahrer eine helle Jacke oder einen hellen Mantel anhatte.«
»War es ein Mann oder eine Frau?«
»Das weiß ich nicht, aber ich denke schon, dass es ein Mann war.«
»Wieso?«
»Der Fahrer war ziemlich groß. Und als der Wagen losfuhr, hat die Putzfrau ihm hinterhergewunken. So ungefähr.«
Die alte Dame demonstrierte ein verstohlenes Winken. Das bestärkte Irenes Annahme, dass Pirjo denjenigen gekannt haben musste, der ihr die Schlüssel gab. Voller Hoffnung fragte sie: »Und fällt Ihnen noch etwas ein?«
Die Dame gab sich wirklich Mühe, aber da war nichts mehr. Irene bat um Namen, Adresse, Telefonnummer und Personendaten. Sie hieß Ester Pettersson und war zweiundachtzig Jahre alt. In Irene erwachte wieder einmal die Neugier.
»Es ist ja nicht üblich, dass Menschen in Ihrem Alter noch arbeiten. Ist das nur ein Zufall?«
»O nein, ich stehe hier in meinem Geschäft seit einundsechzig Jahren! Vorher gehörte es meinem Vater, aber der bekam Tbc und ist gestorben. Meine Mutter war kränklich. Also musste ich den Laden übernehmen.«
»Und Sie haben nie an Pensionierung gedacht?«
»Niemals! Was um Himmels willen sollte ich dann anfangen?«
Irene lehnte dankend das Angebot zu einer Tasse Kaffee ab, versprach aber, noch einmal vorbeizuschauen. Als die Tür ins Schloss fiel und eine Duftsymphonie aus Fußpuder, Warzenmittel und Liniment für müde Füße hinter sich zurückließ, klingelte eine kleine Glocke.
Um ein Uhr waren alle drei wieder am Wagen. Tommy hatte keine neuen Informationen hinsichtlich des nächtlichen Wagentauschs. Irene hatte auch nichts Neues, außer der alten Dame in dem Fußpflegegeschäft. Fredrik war mit Quist so weit gekommen, dass dieser meinte, sicher zu sein, dass Pirjo sich zu einem größeren Modell einer Limousine runtergebeugt habe. Hell lackiert. Wahrscheinlich weiß oder beige. Mit dunkel getönten Scheiben. Und anschließend hatte er Fredrik zum Essen eingeladen, was dieser aber so höflich und entschieden wie möglich dankend abgelehnt hatte. Er hatte sich damit entschuldigt, dass er schon mit seiner Freundin zum Essen verabredet wäre. Nicht, dass er im Augenblick wirklich eine feste Freundin hatte, doch vielleicht gab es ja Möglichkeiten, das zu ändern. Aber er dachte nicht im Traum daran, Irene und Tommy etwas von der Essenseinladung zu erzählen. Die waren zwar zweifellos beide nett, und nicht mit Jonny zu vergleichen, aber so eine Geschichte würde er bestimmt bis ans
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