Der Novembermörder
schauen, wenn nach dem Kriminalinspektor Jonny Blom geforscht würde. Wieder zurück in der Wirklichkeit konnte sie feststellen, dass er immer noch auf seinem Platz saß und sich über Fredriks Rotfärbung amüsierte. Aber der fasste sich schnell und erwiderte mit zurückgehaltener Wut: »Im Gegensatz zu dir kann ich mit Leuten reden, ohne sie gleich niederzumachen. Und deshalb kommt bei meinen Befragungen auch was heraus! Du stolzierst doch nur davon und findest dich ganz toll, weil du jemanden fertig gemacht hast! Aber in Wirklichkeit hast du nur dein schwaches Selbstbewusstsein damit gestärkt.«
Da geschah es: Vor den Augen der überraschten Kollegen ging Birgitta zu Fredrik und gab ihm einen Kuss, direkt auf den Mund. Seine Rotfärbung verstärkte sich und die Ohren leuchteten fast schon von allein. Was man von Jonny nicht sagen konnte.
Andersson merkte, dass ihm die Situation vollkommen aus den Händen geglitten war. In einem Versuch, erneut die Initiative zu ergreifen, rief er aus: »Verdammt, was treibt ihr hier eigentlich! Hört auf, euch gegenseitig zu ärgern und … zu knutschen! Das hier ist kein Kindergarten, sondern eine Mordermittlung. Liebe Kollegen, meine Damen … hört auf damit!«
Nach diesem etwas verwirrten Versuch, Ordnung zu schaffen, machte die Versammlung wirklich den Versuch, sich zu konzentrieren. Fredrik strich seine Papiere glatt. Die waren bei dem Gefühlssturm zerknittert worden. Als wenn nichts gewesen wäre, fuhr er fort: »Hier habe ich seinen Namen. Carl-Johan Quist. Er erkannte Pirjo sofort wieder und wusste, dass sie bei den von Knechts sauber machte. Sie kam immer zu dem Zeitpunkt, wenn er sein Geschäft öffnete. Deshalb reagierte er auch, als er sie am Mittwochmorgen sah. Er ist sicher überhaupt nicht auf die Idee gekommen, dass sie nicht mitbekommen haben könnte, dass Richard von Knecht tot war! Deshalb hat er sie eine Weile beobachtet. Pirjo trat ungefähr nach einer Viertelstunde wieder aus dem Haus. Genau in dem Moment kamen zwei Journalisten in seinen Laden. Nicht, um Kleider zu kaufen, sondern um einen Augenzeugen von von-Knechts Sturz zu interviewen. Quist sagte ihnen, dass er nicht viel mehr gesehen habe, als dass von Knecht fast direkt auf seine Türschwelle gestürzt sei. Als er den Papierhengsten zeigen sollte, wo genau von Knecht gelandet war, schaute er zufällig zur Straßenbahnhaltestelle. Und da hat er gesehen, wie Pirjo neben einem großen hellen Wagen stand und sich zu dem heruntergekurbelten Seitenfenster beugte. Sie hat mit jemandem im Auto geredet. Quist sagt, das Auto wäre wie auf seine Netzhaut geätzt, denn er hätte sich in seiner wildesten Phantasie nicht vorstellen können, dass jemand diese kleine fette Person aufreißen könnte! Und das Bild kam ihm sofort wieder ins Gedächtnis, als er las, dass Pirjo bei dem Brand in der Berzeliigatan umgekommen ist.«
Aufgeregt beugte Andersson sich zu Fredrik vor und fragte: »Was für eine Automarke war es?«
Fredrik schüttelte bedauernd den Kopf.
»Leider hat Quist überhaupt keine Ahnung von Automarken. Er weiß es nicht. Er hat keinen Führerschein und nie ein Auto besessen. Aber er meint, es müsste ein BMW oder ein Mercedes gewesen sein. Auf jeden Fall schließe ich mich Birgittas Theorie an: Jemand hat Pirjo die Schlüssel gegeben, damit sie hingeht und die Bombe zündet. Und diese Person saß in diesem Auto.«
Die Schlüssel. Die Schlüssel glänzten … was war da nur mit diesen Schlüsseln? Irene versuchte das vage Erinnerungsbild zu fassen, aber es zerrann ihr zwischen den Fingern. Als hätte er ihre Gedanken gelesen, sinnierte auch Andersson: »Die Schlüssel. Immer wieder diese Schlüssel! Dass der Mörder ihr die Schlüssel gegeben hat, damit sie die Bombe auslöst, das verstehe ich ja noch. Aber warum die Garagen und Autoschlüssel?«
Hannu spähte unter seinen Augenlidern hervor und sagte langsam: »Um sie loszuwerden.«
»Die Autoschlüssel? Um sie loszuwerden?«
Andersson unterbrach sich selbst und schaute mit wachsender Achtung seinen Abteilungszuwachs an.
»Natürlich! Um den Beweis loszuwerden, hat er Pirjo die Schlüssel gegeben! Vielleicht auch, um uns auf den Holzweg zu schicken. Und das ist ihm ja auch gelungen. Aber jetzt nicht mehr! Jetzt wissen wir, wie es gelaufen ist. Auf jeden Fall haben wir eine Theorie.«
Birgitta zischte wütend zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor: »Was für ein widerwärtiger Mensch! Schickt die Mutter dreier Kinder in den sicheren
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