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Der Novembermörder

Der Novembermörder

Titel: Der Novembermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Tursten
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viel übrig. Es waren nur noch die Reste eines Junkies zu besichtigen, der unter schweren Entzugssymptomen litt.
    Der Wachtmann öffnete die Tür, und Andersson trat ein. Es roch streng nach Angstschweiß und ungewaschenem Mann in der Untersuchungszelle. Paul Svensson schien gar nicht zu bemerken, dass er Besuch hatte. Aber vielleicht doch, jedenfalls nahm sein Jammern an Lautstärke zu.
    Andersson schlug einen lockeren Ton an: »Hallo Paul. Es ist mal wieder an der Zeit, dass wir uns unterhalten.«
    Paul Svensson wandte sein schweißnasses Gesicht dem Kommissar zu. Er hatte Probleme, seinen Blick zu lenken. Die Augen rollten in ihren Höhlen herum wie die panischer Aale. Seine Zunge fuhr pausenlos über die zusammengepressten, trockenen Lippen. Es gelang ihm nur mit Mühe und Not, zu krächzen: »Einen Arzt! Ich brauche einen Arzt. Ich sterbe! Ich sterbe! Kapiert ihr das nicht?«
    Andersson hatte schon zu viele paranoide Drogensüchtige im Laufe seiner Dienstjahre verhört, um sich davon beeindrucken zu lassen. Im Gegenteil, er schätzte die Situation als äußerst vorteilhaft ein. Der magere Kerl dürfte reif sein und zum Pflücken bereit.
    »Wenn du mir bei ein paar Sachen hilfst, dann kann ich vielleicht aus reiner Herzensgüte dafür sorgen, dass ein Arzt herkommt. Aber dann brauche ich wirklich deine Hilfe!«, erklärte der Kommissar in seinem freundlichsten Ton.
    »Ach, fahr zur Hölle!«
    »Nun gut, wenn du es so willst, aber dann kannst du lange drauf warten, dass wir einen Arzt holen. Das wird eine sehr, sehr lange Wartezeit … für dich.«
    Paul John Svenssons klapprige Glieder zogen sich in einem spastischen Krampf zusammen. Er konnte nur noch stöhnen. Angst und Schmerzen beherrschten die Zelle. Als der Krampf vorbei war, flüsterte er: »Wo … worum geht’s?«
    Nichts an Andersson verriet, wie genau geplant sein erster Satz war. Nonchalant sagte er: »Neue Informationen deuten darauf hin, dass Hoffa und du an dem Bombenattentat in der Berzeliigatan beteiligt waren und natürlich auch an der Bombe, die Bobo Torsson getötet hat. Du wirst also nicht nur wegen der Granate und wegen Mordversuchs an den beiden Inspektoren in Billdal angeklagt. O Scheiße Svensson, das bedeutet mindestens den Kumlabunker für dich!«
    Die Angst sprang regelrecht aus Paul Svenssons aufgerissenen Augen, als er schrie: »Aber das war doch dieser Oberklassenheini Henrik von Knäck! Er hat die verfluchte Beutelratte Bobo Torsson in die Luft gehen lassen!«
    »Warum?«
    Dies eine Wort stoppte Svensson, er versuchte sich selbst zu bremsen, aber die Angst vor dem erwiesenermaßen unwirtlichen Kumlabunker – der Hölle auf Erden für einen Junkie – siegte. Er antwortete kurz mit nervöser Stimme: »Dieser Torsson wollte Kohle von diesem von Knäck. Aber stattdessen hat er ihm eine Höllenmaschine in die Tasche gepackt!«
    »Weshalb wollte Torsson Kohle von Henrik von Knecht?«
    »Hoffa … ich weiß nicht.«
    Die Angst vor dem Vizepräsidenten der Hell’s Angels war offenbar stärker als die Angst vor dem Kumlabunker. Aber Andersson dachte gar nicht daran lockerzulassen. Es roch jetzt mehr als deutlich nach Scheiße, und er konnte schon die Konturen des Geruchsherds ahnen. Deshalb sagte er kurz und hart: »Einen Arzt wirst du nicht vor morgen früh zu Gesicht kriegen.«
    »O Scheiße! Ich weiß, dass Torsson aus diesem Kerl von Knäck Geld rauspressen wollte. Aber das ist schief gegangen. Hoffa war stinksauer, weil die Typen aus Amsterdam mit der Ware kommen wollten. Und es gab auch noch andere, die daran interessiert waren.«
    »Der Kerl von Knecht? Meinst du Henriks Papa, Richard von Knecht?«
    »Ja, das hab ich doch gesagt, Mensch! Aber das Aas hat nicht bezahlt. Nach ein paar Tagen hat Bobo wieder angerufen und gesagt, es würde mit der Kohle doch noch klappen. Henrik von Knäck sollte sie stattdessen ausspucken. Das klang schon komisch, aber Hoffa sagte, es wäre ihm scheißegal, wer bezahlte. Hauptsache, er kriegte seinen Kies.«
    »Um wie viel Geld ging es denn?«
    »Eine halbe Mille.«
    »Fünfhunderttausend?«
    »Ist das so schwer zu kapieren? Habe ich doch grade gesagt!«
    »Was wollte Bobo Torsson denn mit einer halben Mille? Und warum sollte er sie Hoffa geben?«
    Wieder begann der Blick zu flackern, aber Paul Svensson wusste, dass er schon zu weit gegangen war. Jetzt konnte er auch noch weiter gehen und sich damit einen Arzt verdienen. Im Augenblick war ihm alles, was Hell’s Angels hieß, scheißegal. Er war kurz

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