Der Novembermörder
Zähne und grinste gefährlich: »Immer ruhig, gute Frau, dazu kommen wir auch noch, immer eins nach dem anderen. Natürlich können Sie einen Anwalt haben. Haben Sie denn einen eigenen?«
»Nun ja … eigentlich nicht … aber mein Schwiegervater hatte ja …«
»Aber Sie und Henrik, Sie hatten keinen Familienanwalt?«
»Nein.«
»Und wieso glauben Sie, dass die Anwälte von der Kanzlei ›Eiderstams Nachfolger‹ oder wie immer sie auch heißen mag, überhaupt Lust haben, Ihre Verteidigung zu übernehmen? Sie sind schlicht und ergreifend der Beihilfe an der Brandstiftung in der Berzeliigatan und an dem Bombenattentat an Bobo Torsson angeklagt. Sowie der Anstiftung zum Mord an Ihrem eigenen Mann, Henrik von Knecht! Taten, die indirekt gegen einen ihrer größten Klienten, Richard von Knecht gerichtet waren. Der auch ermordet wurde. Aber darauf werden wir noch zurückkommen. Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf, dann bitten Sie um einen Pflichtverteidiger.«
Charlottes Lippen begannen zu zittern, und einen Moment lang glaubte Irene, sie würde anfangen zu weinen. Aber stattdessen kreuzte sie energisch die Hände vor der Brust und achtete gleichzeitig darauf, diese etwas hochzuschieben, während sie überlegte. Nach nur wenigen Minuten war die Strategie klar. Mit gesenkten Augenlidern und leiser Stimme gurrte sie: »Ich werde Ihrem Rat folgen. Sie wissen es sicher am besten. Ich möchte einen Pflichtverteidiger haben.«
»Das werden wir regeln. Aber vorher müssen Sie mir ein paar Fragen beantworten. Wenn Sie das nicht tun, gehe ich davon aus, dass Sie etwas zu verbergen haben. Und dann wird es zu einem knallharten Verhör kommen!«
Ihre Augen öffneten sich ein wenig mehr, und die Spur eines zufriedenen Lächelns umspielte die Mundwinkel.
»Ach, dann ist das hier gar kein Verhör?«
»Nein. Ich möchte Sie nur bitten, mir ein paar Fragen zu beantworten.«
Fiel sie darauf rein? Glaubte sie wirklich, dass es sich hier nicht um ein offizielles Verhör handelte? Zumindest konnte sie sich dann in Sicherheit wiegen. Man würde sehen.
»Fangen wir mit der Bombe in der Berzeliigatan an. Warum haben Sie uns nie erzählt, dass Henrik eine beträchtliche Menge Sprengstoff in einer Kiste in Ihrem Schlafzimmer in Marstrand aufbewahrte?«
Sie verdrehte die Augen, dass die Türkise Funken schlugen und achtete darauf, dass sich die Büste in einem tiefen Seufzer elegant hob: »Ich wusste nicht, dass Henrik Sprengstoff in der Kiste hatte! Sie war immer verschlossen.«
»Haben Sie nie nachgefragt, was in der Kiste war?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Warum sollte ich?«
»Ich stelle hier die Fragen! Warum haben Sie nie gefragt, was in der Kiste war?«
Zum ersten Mal warf sie ihm einen unsicheren Blick zu, als sie antwortete. »Es hat mich nicht interessiert. Er hatte ja so viel Zeugs und Gerümpel überall.«
»Also haben Sie sich nie darum gekümmert zu erfahren, was da in der Kiste war?«
»Nein.«
»Dann werden Sie sicher verstehen, dass die Staatsanwaltschaft Sie logischerweise der Mittäterschaft an den Bombenattentaten verdächtigen wird. Ein Ehepaar kann doch nicht jahrelang zusammenleben, ohne dass die Frau weiß, dass im Schlafzimmer Sprengstoff aufbewahrt wird!«
»Aber verdammt noch mal, ich bin doch so gut wie nie da!«
»So gut wie nie da! In dem Haus in Marstrand?«
»Ja.«
»Aber Sie haben Schlüssel dafür? Für das Tor und das Haus?«
Deutlich war jetzt eine Spur von Angst zu sehen, die hinter den Türkisen aufblitzte.
»Jaaa …«
»Wo sind die?«
Jetzt begriff sie, dass es ernst war. Der Geruch der Angst durchbrach den Parfumduft.
»Das weiß ich nicht. Ich habe nicht nachgeguckt.«
»Nein, natürlich nicht. Lillis hatte sie gestern. Er hat gesagt, Sie hätten ihm die Schlüssel gegeben.«
»Er lügt! Er muss sie gestohlen haben!«
»Und wann?«
»Ich weiß es nicht.«
»Aber wir wissen das eine und das andere. Wir wissen, dass Lillis am Sonntagabend bei Ihnen in Lindåsliden vorbeigekommen ist, knapp eine Viertelstunde geblieben ist und dann direkt nach Marstrand fuhr, wo er Ihren Mann totgeschlagen hat!«
»Woher wissen Sie …?«
Sie unterbrach sich selbst und senkte schnell den Kopf. Die Haare schoben sich wieder einmal wie ein Vorhang vor das Gesicht. Ein Trick, den sie von ihrer Schwiegermutter übernommen hatte. Irene erkannte ihn wieder. Nach einer Weile hob Charlotte wieder den Kopf und sagte leise: »Er ist vorbeigekommen, um mich zu fragen, ob ich wohl nächste Woche zu
Weitere Kostenlose Bücher