Der Novembermörder
auf, als stände dieser plötzlich unter Strom.
Stridner zuckte zusammen, brutal aus ihrer Rückschau gerissen. Bedächtig sagte sie: »Kann nicht so tragisch sein. Es ist doch erst Viertel vor.«
»Aber ich soll sie leiten! Ich rufe heute Nachmittag an.«
»Es ist sicher besser, wenn ich anrufe, wenn die Ergebnisse vorliegen.«
Aber sie sprach mit einer leeren Türöffnung. Sie konnte hören, wie Andersson die Treppen hinunterrannte. Im Verhältnis zu seinem Körperumfang hatte er reichlich Fahrt drauf. Sie schüttelte den Kopf und sagte zu sich selbst: »Wenn du so weitermachst, sehen wir uns schneller wieder, als du denkst.«
KAPITEL 5
Die Pressekonferenz geriet zu einer tumultartigen Veranstaltung. Die Journalisten schrien alle gleichzeitig. Kommissar Andersson hatte schon viel mitgemacht, doch so etwas hatte er noch nie erlebt. Aber irgendwie brachte er das Ganze hinter sich, antwortete so gut er konnte und ließ gewisse Informationen aus »ermittlungstechnischen Gründen« aus. Ein kurzhaariger Bursche von der Lokalredaktion von TV4 wollte wissen, wie es dem Mörder gelingen konnte, unbemerkt das Haus zu verlassen und nicht entdeckt zu werden, obwohl die Polizei so schnell am Tatort war. Andersson schaute nachdenklich drein und murmelte nur kurz: »Die Untersuchung des Tatortes ist noch nicht abgeschlossen.«
Aber es war wirklich höchste Zeit, eine Antwort auf die Frage des Reporters zu finden. Deshalb stellte er mit großer Befriedigung fest, dass Svante Malm am Konferenztisch des Zimmers saß, das als Ermittlungszentrale diente. Malm hatte Fotos von von-Knechts zerschmettertem Körper an die Pinwand gehängt. Unter anderem ein paar Vergrößerungen der Wunde am Hinterkopf. Es gab auch Fotos von dem Fleischerbeil.
»Hallo Malm!«
Andersson versuchte einen lockeren Ton anzuschlagen, aber als er Malms bleiche Grimasse sah, die ein Lächeln vorstellen sollte, bereute er es. Stattdessen sagte er nur: »Du und Per, ihr habt wirklich gute Arbeit geleistet.«
Svante Malm sah aus, als könnte er jeden Moment einschlafen. Er rieb sich die Augen und erklärte: »Ich will nur berichten, was wir bis jetzt gefunden haben. Jemand von euch sollte mitschreiben.«
Andersson gab Irene Huss ein entsprechendes Zeichen.
»Auf dem Balkon haben wir das Fleischerbeil gefunden. Die scharfe Schneide stimmt mit dem Hieb auf der Hand überein und die Klopffläche mit dem Schlag auf den Nacken. Frau Professor Stridner hat uns geholfen, das heute Morgen zu überprüfen. Es handelt sich um ein Fleischerbeil für eine Privatküche, es stammt aus den Küchengeräten in von Knechts Küche. Die Werkzeuge hängen unter der Abzugshaube des Herds. Der Beilschaft ist mit einem in Ajaxlösung getauchtes Tuch abgewischt worden. Nicht die Arbeitsteile, nur der Schaft. Das Beil lag dicht an der Wand, deshalb war es vor dem Regen geschützt. Wir haben Blut und Haare an ihm gefunden, wahrscheinlich von von Knecht stammend. Die Analyse liegt noch nicht vor«, leierte Malm herunter.
Er machte eine kurze Pause und gähnte herzhaft. Andersson nutzte die Gelegenheit, um zu fragen: »Ist der Balkon der Tatort des Mordes?«
»Ja. Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass der Körper auf den Balkon hinausgeschleppt und dann über das Geländer gehoben wurde. Man muss dabei bedenken, dass von Knecht nicht gerade klein war. Es ist schwer, einen bewusstlosen Körper zu tragen. Wir haben da eine Theorie, wie das Ganze abgelaufen ist. Der Balkon hat ja die Form eines kleinen Turms, bei dem vier Säulen das kleine Dach tragen. An einer der Säulen haben wir einen frischen Abdruck von von Knechts Handfläche gefunden. Von der rechten Hand. Der Hieb ging in die rechte Hand. Wir nehmen an, dass von Knecht auf dem Balkon stand, mit dem Rücken zur Balkontür. Vielleicht hielt er sich an der Säule fest. Der Mörder schlägt ihn von hinten in den Nacken, aber er wird nicht ganz bewusstlos, sondern umklammert immer noch die Säule. Da pflanzt der Mörder die scharfe Klinge in von Knechts Handrücken und dieser lässt reflexmäßig los. Ein kräftiger Stoß in den Rücken und Richard von Knecht macht seine letzte Flugreise.«
Es war vollkommen still im Konferenzraum, während Malm die letzten Minuten in von Knechts Leben skizzierte. Irene hatte das Gefühl, als würde ihr ein kalter Atem über den Nacken huschen. Plötzlich war der Mörder äußerst greifbar. Vorher war er zwischen all den Antiquitäten und den schrillen Zeitungsschlagzeilen fast
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