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Der Novembermörder

Der Novembermörder

Titel: Der Novembermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Tursten
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einen Selbstmord handeln kann?«
    »Keineswegs. Am Hinterkopf befindet sich eine kräftige Quetschung. Am os occipitale ist ein leichter Riss, von einem kräftigen Schlag herrührend, zu erkennen, ausreichend, um ihn bewusstlos zu machen, aber nicht tödlich. Das Interessante ist die Lokalisation des Schlags. Direkt oberhalb der Nackengrube, an der Hinterwand und dem Boden der Hirnschale. Er ist etwas schräg nach links ausgerichtet. Das lässt zwei Möglichkeiten zu. Erstens: von Knecht hat vor seinem Henker mit gebeugtem Kopf gekniet. Der Mörder ließ sich aber nicht erweichen, sondern hat das Beil in einem weiten Bogen aufwärts geschwungen, sodass der Schlag etwas von unten auf die Schädelbasis auftraf. Aber dann muss Richard von Knecht sich sehr tief gebückt haben. Kaum denkbar. Möglichkeit Nummer zwei: Der Mörder hat eine trainierte Rückhand und er ist Rechtshänder.«
    »Rückhand?«
    »Einen Tennisschlag meine ich. Die Kraft für den Schlag wurde von unten geholt, schräg vor dem Körper des Mörders, und dann nach oben gerichtet. Es ist schwierig, genügend Kraft in einen derartigen Schlag zu legen, aber ein tüchtiger Tennisspieler müsste es hinkriegen, damit eine Person zu betäuben.«
    »So weit ich Svante Malm verstanden habe, stimmt die Wunde auf dem Handrücken des Opfers mit der Schneide des Fleischbeils überein, das auf dem Balkon gefunden wurde. Und wie ist es mit der Wunde am Hinterkopf?«
    »Passt genau zu der Klopfseite des Beils. Ich habe es selbst überprüft.«
    »Aber die Jungs von der Spurensicherung waren doch schon um sieben hier? Und die haben doch das Beil wieder mit ins Labor genommen!«
    Sie warf ihm einen vernichtenden Blick zu. Kurz bemerkte sie: »Wer nicht alles schon hier war um sieben Uhr!«
    Sie holte tief Luft und ließ ihren Blick über das schmutzige Fenster gleiten.
    »Für mich ist das eine Wissenschaft. Ich muss die Todesursache herausbekommen. Was kann der tote Körper über die lebendige Person berichten? Kann er mir etwas über den Mörder sagen? Warum und wer ihn ermordet hat, das herauszufinden, ist dann Ihr Job.«
    Der Kommissar beschloss, Stridners Gesprächsbereitschaft noch ein wenig zu schüren. Ein Obduktionsprotokoll war erst in ein paar Tagen zu erwarten. Ohne zu zeigen, welche Selbstüberwindung ihn das kostete, sagte er in neutralem Ton: »Ich bin Ihnen wirklich dankbar, dass Sie sich die Leiche so schnell angesehen haben. Ich werde mein Bestes tun, um Antworten auf das Warum und Wer zu finden, aber ohne Ihre Hilfe wird das kaum möglich sein.«
    Die Professorin schürzte die Lippen, aber sie löste ihren Blick von dem dreckigen Fenster und sah erneut Andersson gnädig an. Zufrieden sagte sie: »Nun ja, so ist es tatsächlich. Übrigens, ist Ihnen nie der Gedanke gekommen, dass es gar nicht von Knecht war, der da auf den Gehweg gefallen ist?«
    Andersson saß stumm da, mit einem leicht schafsähnlichen Gesichtsausdruck. Herausfordernd fragte Yvonne Stridner: »Haben Sie sich die Leiche gestern gut angesehen?«
    »Er lag auf dem Bauch. Und es war dunkel«, antwortete Andersson zögernd.
    »Ganz genau. Er landete mit einem Bauchklatscher. Die vorderen Schädelknochen sind gebrochen und reichlich vermischt. Ich habe den Unterkiefer und Teile des Oberkiefers wieder zusammenpuzzeln können. Der Gerichtsodontologe wird nach der Mittagspause kommen. Und hier … voilà! Meine kleine Überraschung für Sie!«
    Sie streckte sich über den Schreibtisch und zog einen braunen Umschlag hervor, den sie triumphierend in die Luft hielt. Der Kommissar konnte nur schwer verbergen, dass er nunmehr fest davon überzeugt war, dass sie total übergeschnappt war. Er hatte schon immer Probleme gehabt, eine Ebene mit diesem Frauenzimmer zu finden, aber das kam ja nur daher, weil er es schon immer intuitiv gespürt hatte: Sie war total verrückt.
    Stridner sah, was er dachte, öffnete lachend das Kuvert und zog ein grünes Stück Pappe heraus. Es war in drei Teile gefaltet, und jeder Teil hatte kleine, längliche Fenster, gefüllt mit dunkelglänzendem Zelluloid. Es waren Röntgenbilder eines Zahnarztes. Am Rand gab es einen schmalen weißen Papierstreifen mit dem Text: »Richard von Knecht, 350803«.
    Andersson wurde verlegen und murmelte vor sich hin.
    Yvonne Stridner runzelte die Augenbrauen und drohte ihm scherzhaft mit den Röntgenbildern.
    »Ich höre kein ›phantastische Arbeit, Yvonne!‹ und kein ›Aber wie um alles in der Welt sind Sie denn so schnell an seine

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