Der Novembermörder
Röntgenbilder gekommen?‹ oder das nahe liegendste ›Woher wussten Sie, welchen Zahnarzt Sie fragen mussten?‹«
Das war ein Punkt für sie und sie lutschte voller Lust an ihrem süßen Karamell. Andersson seufzte leise und hob beide Handflächen in einer ergebenden Geste in die Luft.
»Okay, okay. Phantastische Arbeit … Yvonne, und all das andere Zeug. Ich verneige mich. Aber ich wäre dankbar für Antworten auf die Fragen plus Fakten über von Knechts Allgemeinzustand.«
»Aha, ein wirklich fordernder Mann.«
Kokett warf sie ihm einen weiteren zwinkernden Blick zu. Sie hatte ihre kleine Überraschung wirklich genossen. Ein Blick auf die Papiere auf dem Schreibtisch, und sie wurde wieder zu der effektiven Pathologin. Andersson dachte, dass er diese neue Yvonne Stridner auf jeden Fall vorzog.
»Ich habe Ihnen eine Liste des Freundeskreises um von Knecht versprochen. Ich habe es noch nicht geschafft, aber ich kann Ihnen die Namen auch mündlich geben. Sven Tosse gehört beispielsweise dazu. Er ist einer von Göteborgs besten Zahnärzten. Ich wie auch die Familie von Knecht sind Patienten von ihm. Das ist wohl der einzige gemeinsame Berührungspunkt, den wir noch haben, nach meiner Scheidung von Tore. Tosses Praxis liegt nur einen Steinwurf von hier, auf der anderen Straßenseite. Am Kapellplats.«
Andersson hatte einen zerknitterten Block aus der Tasche gezogen und notierte sich mit einem kurzen Bleistiftstummel Name und Adresse des Zahnarztes.
»Ich habe Sven heute Morgen angerufen. Er hatte natürlich von der Sache in der Zeitung gelesen und war sehr betroffen. Er hat seine Gehilfin mit Richards Röntgenbildern hergeschickt, und jetzt muss der Gerichtsodontologe den Rest erledigen.«
»Haben Sie Zweifel daran, dass es von Knecht war?«
»Nein, aber es ist doch wichtig, sich abzusichern, wo sein Gesicht so zerschmettert ist. Wollen Sie ihn sehen?«
Andersson schüttelte schnell den Kopf. Obduktionssäle waren unerträglich. Ganz zu schweigen von dem, was dort auf den Tischen zu liegen pflegte. Nein, wenn er es vermeiden konnte, betrat er lieber gar keinen Obduktionssaal. Ihm genügten die Leichen, die er sich täglich ansehen musste. Die Stridner konnte die ihren für sich behalten. Obwohl ihre Interessen natürlich oft zusammenfielen. Yvonne Stridner stellte nüchtern fest: »Es bringt wahrscheinlich auch nicht viel, wenn Sie sich die Leiche anschauen. Das war ein tiefer Fall, mindestens über zwanzig Meter. Na gut, also einige Daten über ihn.«
Sie setzte sich eine Lesebrille auf, räusperte sich unbewusst, schaute auf ihren Papierstapel und las: »Länge: einhundertdreiundachtzig Zentimeter. Gewicht: zweiundachtzig Kilo. Das Alter kennen wir und das stimmt mit dem Körper überein. Er war für sein Alter gut trainiert, hatte eine ausgeprägte Muskulatur.«
Sie warf Andersson einen bedeutungsvollen Blick über den Rand ihrer Brille zu, bevor sie wieder in ihre Papiere guckte.
»Ich will nicht auf all die multiplen Frakturen eingehen. Kurz gesagt ist so gut wie jeder Knochen im Körper gebrochen. Was seinen übrigen Zustand betrifft, so habe ich einige kleine Verkalkungen in den Herzkranzgefäßen gefunden, was sicher das Risiko für einen zukünftigen Infarkt erhöhte. Eine leichte Fraktur der rechten Tibia, also des einen Unterschenkels. Der Schaden scheint alt zu sein. Die Leber ist ein wenig vergrößert, beginnende Fettleber, aber noch nicht dramatisch. Lässt auf einen gewissen Alkoholkonsum schließen.«
»War er Alkoholiker?«
»Das keinesfalls. Deren Lebern sind mit deutlich sichtbaren Fettnekrosen durchsetzt. Auch wenn Richard wohl in letzter Zeit angefangen hat, ein wenig mehr zu trinken, so hatte seine Leber immer noch diverse Jahre gut. Wahrscheinlich wäre er an etwas anderem gestorben als an einem Leberproblem. Was er ja nun auch tat. Und man kann eine Fettleber viele Jahre lang haben, ohne dass sie einem größere Beschwerden bereitet. Erst wenn sie sich in eine Schrumpfleber verwandelt, wird es zum Problem. Zu einem richtigen Problem! Aber davon war Richard noch weit entfernt. Ich bin kein Experte für Alkoholschäden, aber so viel wage ich doch zu behaupten. Und dann habe ich Blutproben eingeschickt, um den Alkoholpegel zu überprüfen und eine Untersuchung des Mageninhalts veranlasst. Er hat eine üppige Mahlzeit eingenommen, wahrscheinlich ein spätes Mittagessen. Die Zeit, wann der Tod eintrat, kennen wir ja.«
Andersson drehte sich der Magen um, als er daran dachte, dass
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