Der Novembermörder
zerbrechen. Dann haben wir jetzt von allen gehört, woran sie heute gearbeitet haben. Außer von dir, Hannu.«
Hannu Rauhala sah den Kommissar direkt an, als er das Wort ergriff. Seine Stimme klang ungewöhnlich tief, und sein singendes Finnlandschwedisch war angenehm weich: »Ich war beim Finanzamt …«
Jonny zuckte auf seinem Stuhl zusammen und unterbrach ihn aufgebracht: »Doppelte Arbeit bringt ja wohl nichts! Ich habe doch bei der Wirtschaftskripo schon alles rausgeholt, was interessant ist!« Hannu bewegte keinen Muskel im Gesicht, veränderte seine Stimme um keine Nuance, aber seine Augen wechselten in ein kälteres Eisblau.
»Richard von Knecht hat noch einen Sohn.«
In dem kompakten Schweigen, das auf diesen Satz folgte, erschien es allen, als würden die Sirenen sämtlicher Streifenwagen und Feuerwehrwagen Göteborgs gleichzeitig einsetzen.
KAPITEL 6
»Was sagst du da? Und was für ein Scheiß ist denn da draußen los?«
Anderssons Gesichtsfarbe wurde deutlich dunkler. Er hatte gedacht, sie hätten die Sache ganz gut im Griff. Und plötzlich brach die Hölle los, sowohl hier drinnen wie auch draußen.
Hannu Rauhala schaute immer noch ungerührt den Kommissar an und sprach einfach weiter: »Das Finanzamt hat Kopien der Personalakten. Richard von Knecht hat die Vaterschaft anerkannt. Bo Jonas, geboren 23. 07. 65 in der Gemeinde Katarina in Stockholm. Die Mutter heißt Mona Söder, 02. 11. 41. Das steht auf von Knechts Totenschein.«
»Wie hast du denn dazu Zugang ge… Ach, scheiß drauf.«
Ein Blick in die eisblauen Augen und Andersson beschloss, die Frage zu verschieben. Stattdessen sagte er: »Das ist ja interessant! Möchte nur wissen, ob seine Frau und sein Sohn Henrik von Jonas’ Existenz wissen? Irene, du hast doch Kontakt zu den beiden, frag mal nach. Hannu, du kümmerst dich um Pirjo Larsson. Wir müssen wissen, ob sie einen Schlüssel zu von Knechts Wohnung hat. Frag sie auch nach eventuellen Besuchern, während sie dort war, oder ob sie irgendwas anderes Merkwürdiges gesehen hat. Und den Lappen! Vergiss nicht, sie nach dem Putzlappen zu fragen. Und forsche weiter nach Jonas und seiner Mutter. Dazu brauchen wir wohl die Hilfe der Kollegen in Stockholm … Meine Güte, was ist denn das für ein Sirenengeheul da draußen! Ist halb Göteborg in die Luft geflogen?«
Wütend drückte er die Nummer der Zentrale. Zunächst beantwortete niemand seinen Ruf. Er musste es ein zweites Mal versuchen.
»Ja ha, Zentrale«, antwortete eine ruhige Männerstimme.
»Was ist denn da draußen los?«
»Da ist ein Haus in der Berzeliigatan, das brennt. Sieht nach einer Bombe aus. Habt ihr nicht den Knall gehört? Es ist nicht mal einen Kilometer von hier.«
»Sieht so aus, als ob die Jungs von der PO1 heiße Ohren kriegen!«
»Genau. Also, tschüss.«
Der Kommissar sah verdutzt aus, als das Klicken verkündete, dass die Verbindung unterbrochen war. Um seine Verlegenheit zu überspielen, fuhr er schnell fort: »Dann wissen wir das also auch, aber darüber sollen sich andere den Kopf zerbrechen. Wir haben uns um die Familie von Knecht zu kümmern. Hannu, hast du noch mehr Informationen über diesen zweiten Sohn?«
Hannu schüttelte den Kopf.
»Na gut, dann verfolgst du diese Spur also weiter. Ja, Jonny?«
»Die Vermögen der anderen Familienmitglieder laut ihrer Steuererklärung. Sylvia von Knecht hat einhundertfünfzigtausend verdient, Privatvermögen siebenhundertachtundsechzigtausend Kronen. Henrik von Knecht hat fünfhunderttausend verdient, Vermögen vierhundertdreiundfünfzigtausend. Charlotte von Knecht hat zweiundsiebzigtausend verdient und null Vermögen.«
»Arme Schlucker, im Vergleich zu Papa von Knecht. Aber wer ist das nicht im Vergleich zu ihm!«
Fröhlich stellte Fredrik fest: »Um ehrlich zu sein, dann haben wohl nur Charlotte und ich die gleiche Art an Vermögen.«
Die anderen lachten zustimmend und erhoben sich, um sich Kaffee zu holen.
Die Besprechung dauerte noch weitere zwei Stunden. Man drehte und wendete die verschiedenen Vermutungen und Hypothesen, wusste aber nicht, ob man damit der Wahrheit sehr viel näher kam. Oder ob sie bereits auf dem Tisch lag, aber niemand sie sah.
Andersson unterdrückte ein Gähnen und beschloss die Besprechung mit ein paar abschließenden Worten zu beenden: »Okay, wir sehen uns dann morgen früh um halb acht.«
Die Versammelten packten Notizblock, Stifte, Kaffeebecher und andere für die Ermittlung notwendigen Utensilien ein, als es an der
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