Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition)
schaffen.
Als Erstes erklärte Shūsaku ihnen, dass kein Ninja jemals gänzlich unbewaffnet kämpfte. Das war in der Tat eines ihrer großen Geheimnisse.
Jeder von ihnen erhielt einen hölzernen Ring, den sie an der rechten Hand tragen sollten. Der Ring – Shobō genannt – war rau und uneben und stand hervor, wenn man die Hand zur Faust ballte. Er war dazu gedacht, Druckpunkte am Körper eines Feindes zu treffen und ihn damit bewegungsunfähig zu machen oder sogar zu töten.
Shūsaku stand vor ihnen, und sein Schatten zitterte im Kerzenschein. » Als Erstes zeige ich euch ein paar Griff- und Wurftechniken. Sie lenken den Körper eines Angreifers – oder zumindest einen Körperteil – in eine unerwartete Richtung. Also … ich brauche zwei Freiwillige.« Sein Blick schweifte umher, bis er am Kleinen Kawabata hängen blieb. »Komm«, sagte er. » Wir wollen mal sehen, ob du so gut bist wie dein Vater. Er war ein sehr talentierter Kämpfer, ehe er so dick geworden ist.«
Der Kleine Kawabata trat mit finsterer Miene vor.
Shūsaku schaute sich erneut um. Dann rief er Tarō zu sich. Heikō lächelte Tarō kurz zu, als er an ihr vorbeiging. »Dass du ihn ja besiegst«, sagte sie.
Der Kleine Kawabata drehte sich nach ihr um und bedachte sie mit einem hässlichen Lächeln. » Wenn hier irgendwer jemanden besiegt, dann bin das ich.«
Die beiden Jungen standen in der Mitte der Höhle und starrten einander an. Tarō sah Boshaftigkeit und Belustigung in den Schweinsäuglein des anderen Jungen. Er wusste, dass der Kleine Kawabata ihn beinahe vom ersten Augenblick an gehasst hatte – weil ihm ein Schuss gelungen war, der ihm die Aufnahme in die Ausbildung gesichert hatte, weil er bereits ein Vampir war und weil er den Vater des Jungen bloßgestellt hatte, indem er dessen Prüfung so leicht bestand.
Shūsaku trat vor den Kleinen Kawabata hin. »Schlag mit dem Arm nach vorn zu, als wolltest du mir direkt ins Gesicht schlagen, dann halte den Arm flach ausgestreckt.« Der dickliche Junge gehorchte, und Tarō sah, dass die Fettschicht täuschte. Der Kleine Kawabata war schnell. Und stark.
Shūsaku streckte beide Hände aus, legte eine mit der Handfläche nach oben unter das Handgelenk des Kleinen Kawabata und die andere darüber, die Handfläche nach unten. Er verdrehte die Hände, und die Beine des Kleinen Kawabata gaben nach, als er schrill aufschrie. Shūsaku half ihm auf und zeigte ihm dann, wo er die Hände anlegen musste, um das Gleiche zu tun. Der Lehrer streckte seinen eigenen Arm aus, und der Kleine Kawabata führte den Griff aus und zwang den Mann zu Boden. Shūsaku nickte. »Gut gemacht.«
Tarō trat zu ihnen, begierig darauf, diesen Kniff zu lernen, doch Shūsaku bedeutete ihm zurückzubleiben. »Nur Geduld«, sagte er. »Du lernst diesen Griff auch bald. Erst einmal möchte ich, dass du versuchst, den Kleinen Kawabata zu treffen. Wir wollen sehen, wie gut er ihn anwenden kann, wenn es darauf ankommt.«
Shūsaku stellte Tarō direkt vor den Kleinen Kawabata hin. »Gut. Schlag zu.«
Tarō führte mit der Rechten einen Fausthieb zum Kopf, der zu schnell für den Sohn des Anführers war. Der Kleine Kawabata jaulte auf und hielt sich das Ohr. Doch Tarōs nächster Angriff, mit der Linken zum Solarplexus, wurde mit eisernem Griff abgefangen, und plötzlich verdrehte sich Tarōs Oberkörper wie von selbst, und er fiel zu Boden. Er stand wieder auf und schlug sofort zu, und dank seiner vampirischen Schnelligkeit traf der Aufwärtshaken den Kleinen Kawabata am Kinn. Der taumelte rückwärts, und Tarō rückte nach, um seinen Vorteil zu nutzen, doch der andere Junge war nicht nur schnell, er lernte auch rasch. Tarōs nächste Angriffe wurden mit Leichtigkeit abgefangen, und er landete jedes Mal auf dem Boden. Das tat ihm nicht so weh wie einem Menschen, aber in Verbindung mit der Demütigung schmerzte es doch.
Tarō schlug heftig zu, immer wieder, und jedes Mal wurde sein Hieb abgewehrt oder aufgefangen, und seine Muskeln brannten, weil ihm ständig der Arm verdreht wurde. Er begann hilflos zu schluchzen. Warum setzte Shūsaku dem kein Ende?
Er fixierte die Augen des Kleinen Kawabata und nahm all seine Kraft zusammen. Das Blut donnerte ihm in den Ohren, und seine Arme schmerzten. Mit der Schnelligkeit und Beweglichkeit, die er als Vampir besaß, sollte er doch wohl in der Lage sein, dieses dicke, verwöhnte Kind zu besiegen? Er verzog das Gesicht und spie einen Mundvoll Blut aus. Der letzte Sturz
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