Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition)
Odas Auftrag ermordet worden, und wie hätte ihm jemand widersprechen können? Niemand hatte sie sterben sehen.
Doch dass Fürst Endō ein so starker Vampir wurde, dass er schließlich die Führung des Klans übernahm, auf Kosten des Mannes, dessen Abgesandte er gefoltert und ermordet hatte?
Das war unerträglich. Schlimmer noch: Früher hatte der Klan für alle Seiten gearbeitet und sich von dem anheuern lassen, der den höchsten Preis bezahlte. Shūsaku jedoch beharrte darauf, dass sie nur für den Daimyō Tokugawa arbeiteten, für den er früher als einer seiner ranghöchsten Samurai den Speer getragen hatte.
Und nun hatte Shūsaku dem Ganzen die Krone aufgesetzt, indem er einen weiteren Samurai-Ninja auf den Berg gebracht hatte. Ausgerechnet Tokugawas Sohn. Das würde den Untergang des Klans bedeuten, da war der Kleine Kawabata ganz sicher. Wie könnte Daimyō Oda einen solchen Jungen am Leben lassen? Und Daimyō Tokugawa selbst? Er war bereit, sich der Ninja zu bedienen, aber einen zum Sohn haben? Das war grotesk.
Der Kleine Kawabata hatte schreckliche Kopfschmerzen, und sein Mund fühlte sich an wie mit Glasscherben gefüllt. Doch er fühlte sich stark, er fühlte sich gut. Sein Vater hatte es nicht geschafft, Shūsaku loszuwerden, aber sein Vater hatte sich stets nur auf Worte verlassen. Der Kleine Kawabata fand, dass Worte vielleicht nicht die beste Methode seien, mit seinen Feinden fertig zu werden.
Er spuckte etwas Weißes auf den Boden – einen Zahn. Im Geiste hörte er immer noch Shūsakus Worte: Sogar Vampire kann man verletzen. Darauf würde er sich verlassen.
Kapitel 44
Tarō brauchte mehrere Tage, um sich von seinen Verletzungen zu erholen, und er verbrachte sie in einem Nebel aus Langeweile und Frustration. Das Einzige, worauf er sich freuen konnte, war ein gelegentlicher Besuch von Shūsaku, der ihm zeigte, wo er Druck mit seinem Shobō-Ring ausüben musste, um einen Gegner außer Gefecht zu setzen – vorübergehend oder auch dauerhaft.
Jedes Mal, wenn Tarō auf den schlichten Holzring hinabschaute, konnte er nicht anders, als ihn mit dem Ring zu vergleichen, den die junge Adlige ihm geschenkt hatte und den er an der anderen Hand trug. Es war beinahe so, als symbolisierten die beiden Ringe die zwei Hälften seiner selbst, seine Zwillingsnatur als Vampir und als Sohn eines Daimyō. Der eine Ring war grob gearbeitet und potenziell tödlich, der andere elegant, aber letztendlich – wie Tarō selbst, da er seine Existenz seinem wahren Vater nie würde enthüllen können – nutzlos.
Nach einiger Zeit konnte Tarō sich schon besser bewegen und endlich wieder darüber nachdenken, wie er sich seinen Bogen zurückholen sollte. Er war inzwischen sicher, dass dieser die Antwort auf alles enthielt, die Macht, die es ihm ermöglichen würde, seine beiden gegensätzlichen Seiten zu einem vollkommenen Wesen zu vereinen.
In dieser Nacht wartete er, bis alle eingeschlafen waren, und schlich sich dann zu dem Alkoven hinüber, in dem Heikō schlief. Er berührte sie am Arm und war überrascht, als sie ihn sofort wach ansah. »Psst«, flüsterte er. » Würdest du mit mir kommen? Ich brauche deine Hilfe.«
Sie folgte ihm aus der Waffenkammer hinaus und durch die Gänge in Richtung Krater. Als sie weit genug von allen anderen fort waren, blieb Tarō stehen und erzählte dem Mädchen von seinem Bogen und dass er ihn aus der Vorratshütte holen musste. Er sagte nichts von seinem verrückten Verdacht, dass in dem Griff etwas verborgen sein könnte.
Doch wenn es tatsächlich die Buddha-Kugel war, dann wäre er der mächtigste Mann im Land, nicht wahr? Er könnte den Tod seines Vaters rächen, und den Tod der Äbtissin, wenn sie denn tot war . Kurz, er könnte alles tun, jeden besiegen, und ganz gewiss würde er nicht nur Heikō, sondern auch allen anderen, die er mochte, ein viel besseres Leben bescheren.
Aber wenn die Kugel nicht dort drin war und er Heikō erzählte, sie könnte da sein, würde er als Idiot dastehen. Also schien ihm eine kleine Lüge klüger zu sein. »Du kannst doch Schlösser öffnen, nicht wahr?«, fragte er und sah sie hoffnungsvoll an.
Sie nickte langsam. »Ja … wenn ich das richtige Werkzeug habe. Aber das ist bei meinen anderen Sachen, da drin.« Sie deutete zurück in Richtung der Waffenkammer.
Tarō wurde blass. »Wenn der Kleine Kawabata aufwacht und merkt, dass wir weg sind …«
Heikō lächelte. »Das wäre schlimm«, sagte sie. »Aber ich kann sehr leise
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