Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition)
war hart gewesen.
Tarō sammelte all sein Ki, täuschte links an und führte einen vernichtenden Schlag mit der Rechten. Wenn dieser Hieb den Hals des Kleinen Kawabata getroffen hätte, hätte er ihn bewusstlos geschlagen oder ihm gar die Wirbelsäule gebrochen. Doch der Sohn des Anführers wich aus, packte Tarōs Arm, als der an ihm vorbeisauste, und verdrehte ihn mit seinem ganzen Gewicht.
Tarō krachte zu Boden, und als er versuchte, sich wieder aufzurappeln, schlenkerte sein Arm schlaff an seiner Seite.
Der Kleine Kawabata lachte. »Hier wird nicht mehr gefischt, Junge. Ich bin schwerer zu kriegen als die Sprotten in deiner kleinen Bucht.«
Tarō stöhnte.
»Steh auf«, sagte der Kleine Kawabata. »Deine vorgetäuschte Verletzung ist eine Beleidigung.«
Tarō wandte den Kopf. Sein Arm hing in einem scheußlichen Winkel von der Schulter. Ausgerenkt. Unter Schmerzen richtete er sich auf und schüttelte den Kopf. Jetzt würde Shūsaku den Kampf doch gewiss abbrechen? Er war unfähig. Nun war er schon ein Vampir, aber er konnte nicht einmal diesen dummen, dicken Grobian besiegen.
Taumelnd kam er auf die Füße, dann wankte er nach vorn. Er griff nach dem Kleinen Kawabata und suchte Halt, wobei er das Gewand des dicken Jungen mit Blut verschmierte.
Der Kleine Kawabata schnaubte höhnisch. »Bauer, deine Manieren sind eine Schande. Zweifellos hast du meinen Vater nur hereingelegt – du hast ihm irgendwie den Gedanken eingegeben, dass er dich mit dem Bogen prüfen soll. Du wirst für deine Unverschämtheit bezahlen.«
Tarō stockte der Atem. Doch sosehr er den Jungen hasste, war er wider Willen auch neidisch auf ihn. Zumindest hast du einen Vater , hätte er am liebsten gesagt. Aber aus seinem Mund kam nur ein »Ugg«.
»Halt«, sagte Shūsaku. Tarō wimmerte leise vor Erleichterung.
Den Göttern sei Dank.
Er blickte durch einen Schleier aus Schweiß und Blut, das immerhin nicht nur sein eigenes war, und sah Shūsaku, der ihn grimmig anstarrte. Dann warf der Sensei dem Kleinen Kawabata ein schweres Bokken zu. Zugleich streckte er die Hand vor Tarō hin. »Gib mir dein Shobō. Du kämpfst jetzt ohne Waffen.«
»Was?«, entgegnete Tarō. »Warum? Warum tust du mir das an?«
»Sei still. Gib mir den Ring.«
Tarō zog den hölzernen Ring vom Finger und reichte ihn dem Mann, der ihn gerettet und sicher durch das halbe Reich geführt hatte, dem Mann, dem er vertraut hatte. Er war fassungslos. Wollte Shūsaku ihn umbringen? Oder hoffte er, den Hass des Kleinen Kawabata zu erschöpfen, indem er Tarō für diesen Nachmittag zu seinem Sandsack machte? Falls ja, so fürchtete Tarō, dass sein Lehrer sich täuschte. Keine noch so lange einseitige Prügelei konnte Kawabatas Blutgier stillen. Er würde sich erst zufriedengeben, wenn Tarō tot war.
Und wenn er starb, würde er seine Mutter niemals finden.
Jemand war aus dem Kreis der anderen Schüler getreten – Hirō. »Was tust du da?«, fragte er. »Er ist unbewaffnet. Das ist unfair.«
Shūsaku fuhr zu Hirō herum. »Setz. Dich. Hin.« Seine Stimme war eiskalt. »Ein Ninja hat immer eine Waffe.« Er wandte sich Tarō zu. »Denk daran. Du hast immer eine Waffe.« Dann hielt er Hirō mit einer Hand auf der Brust zurück, sah den Kleinen Kawabata an und schnippte mit den Fingern. »Du darfst ihn angreifen, wie du willst«, sagte er zu dem grinsenden Jungen. Der Kleine Kawabata ging auf Tarō los und schwang den kurzen Stab.
Kapitel 42
Schläge prasselten auf Tarō herab, und er hielt schützend die Hände über den Kopf. Er glaubte zu spüren, wie Knochen in seinen Fingern splitterten. Es kümmerte ihn kaum noch. Seine Welt war auf diese Höhle zusammengeschrumpft – den harten Felsboden, die staubigen Nischen, die grinsenden Reliefs.
Er kroch dorthin, wo er Shūsaku vermutete, indem er mit gebrochenen Händen über den Boden scharrte. Dumpf konnte er Hirō, Yukiko und Heikō hören, die ihren Lehrmeister anschrien und verlangten, dass er den Kampf abbrach. Tarō konnte ihre Stimmen kaum unterscheiden. Seine Augen waren von Blutergüssen halb zugeschwollen, Wangen und Nase von zahlreichen Schlägen geprellt. Blut sickerte in sein rechtes Auge.
Was hatte Shūsaku damit gemeint: Du hast immer eine Waffe? Sollte er meditieren oder mit seinen zitternden Händen eine Mudrā zum Schutz formen? Er versuchte es mit der Mudrā, die Böses verbannte – Hand ausgestreckt, die Handfläche nach außen gewandt. Er hockte auf den Knien und hielt die Hand in
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