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Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition)

Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition)

Titel: Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Lake
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quer über Tarōs Körper führen wollte. Tarō hatte die leichte Bewegung der Schwertspitze wahrgenommen und wusste, dass der Ninja von rechts zuschlagen würde  – und damit eine Lücke in seiner Deckung entstehen musste. Tarō ergriff diese Chance, riss das Schwert empor und in engem Bogen herum durch den Korridor aus leerer Luft, der zum Hals des Ninja führte.
    Doch plötzlich war Shūsakus Schwert hoch erhoben und blockierte vertikal Tarōs Klinge, und diese Parade setzte sich mit einer fließenden Bewegung fort, bis der Ninja das Handgelenk drehte und sein Schwert unter Tarōs durchführte.
    Tarō blickte nach unten.
    Shūsakus Klinge presste sich an seinen Bauch.
    »Das«, sagte Shūsaku, »ist eine Kata. Ich nenne sie die hohe Parade mit Bauchschnitt. Und wenn dies ein echter Kampf wäre, wärst du jetzt tot.«
    Tarō schluckte. Das Ganze war so schnell gegangen. Er hatte mit seinem Angriff versucht, die offene Deckung seines Gegners zu nutzen, und einen Herzschlag später war er tot gewesen. Zumindest theoretisch.
    »Zeig mir das noch einmal«, sagte er.
    Shūsakus Augen blitzten. »Selbstverständlich. Aber denk daran, diese Technik funktioniert nur, wenn dein Gegner dich unterschätzt.«
    Tarō errötete. Er hatte den Ninja tatsächlich unterschätzt. Er hatte gemeint, so schnell fähig und stark geworden zu sein. Aber natürlich war er erst seit ein paar Tagen hier, und es war arrogant von ihm zu glauben, er hätte in so kurzer Zeit so gut werden können.
    Tarō hob das Schwert.
    »Diesmal«, sagte Shūsaku, »versuchst du es. Komm ein bisschen näher heran, lass deine Schwertspitze ganz leicht nach rechts gleiten, als wolltest du einen hohen Schlag anbringen. Nicht zu weit. Ja, so ist es gut. Jetzt glaube ich, ich könnte deinen Hals treffen …«
    Shūsaku führte den gleichen Angriff wie Tarō zuvor, und Tarō hob das Schwert, um ihn abzuwehren. Dann versuchte er mit der Drehung aus dem Handgelenk, die Parade zu einem tiefen Hieb nach dem Bauch weiterzuführen, doch er war nicht schnell genug, Shūsaku blockierte den Schlag, und schon ruhte sein Schwert zitternd an Tarōs Hals.
    Es fühlte sich kalt an.
    »Nicht schnell genug«, bemerkte Shūsaku. »Deshalb übt man so etwas immer wieder.«
    Tarō nickte ein wenig beschämt. »Ja. Ich verstehe. Es tut mir leid, dass ich  –«
    Doch Shūsaku winkte ab. »Erst, wenn du siehst, wie schnell man einen Schwertkampf verlieren kann, weißt du, wie wichtig es ist, schnell zu sein und sich bewegen zu können, ohne darüber nachdenken zu müssen. Die Kata sollten unwillkürliche Reaktionen werden, ohne Überlegung, einfach nur die Art, wie dein Körper auf bestimmte Attacken reagiert. In gewisser Weise sind sie durchaus spontan. Man braucht nur eine Menge langweiliger Übung, um das zu erreichen.« Er lachte.
    Tarō lachte ebenfalls, obwohl die Muskeln in seinen Unterarmen jetzt schon schmerzten. »Also«, sagte er. »Dieses Schnalzen aus dem Handgelenk …«
    Shūsaku trat näher heran und nahm Tarōs Handgelenk zwischen beide Hände. »Du drehst es so«, sagte er und drückte Tarōs Hand mit der oberen Hand hinab. »Dabei schiebst du den Zeigefinger nach vorn. So schnellt das Schwert in einem tiefen Bogen nach vorne, und du brauchst nur noch ein wenig aus dem Arm nachzuschieben, um den Schnitt zu vollenden.«
    Tarō versuchte es und war wieder nicht schnell genug. Shūsaku nahm erneut sein Handgelenk zwischen beide Hände und zeigte ihm, wie es ging. Das erinnerte Tarō daran, wie sein Vater ihm das Fischen mit dem Speer beigebracht hatte  – geduldig hatte er das Vorschnellen aus dem Handgelenk unzählige Male wiederholt, während sie zitternd im kalten Wasser der Bucht gestanden hatten.
    Durch diesen Gedanken verpatzte er die Bewegung und war diesmal nicht nur zu langsam, sondern verdrehte auch die Hand zu weit, so dass ihm das Schwert aus den Fingern fiel. Er fluchte.
    »Stimmt etwas nicht?«, fragte Shūsaku mit besorgtem Blick, und wieder musste Tarō an die Fürsorglichkeit seines Vaters denken, an die Geduld, mit der er Tarō ein ums andere Mal gezeigt hatte, wie er den Speer aus der Hand schnellen lassen musste.
    Und jetzt war sein Vater tot, und er stand in einem Vulkankrater viele Ri von zu Hause entfernt und übte Kata mit einem Meuchelmörder, der Tarō nicht nur sein altes Leben weggenommen, sondern auch noch einen schrecklichen neuen Faktor hinzugefügt hatte  – einen echten Vater, einen Samurai, einen Fremden.
    Doch für Tarō

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