Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition)
dumm von mir, aber …«
Ihr Gesicht leuchtete auf, als sie begriff. »Natürlich. Die Buddha-Kugel.«
Er zuckte mit den Schultern. »Eine alberne Idee. Aber sie hätte mir sehr geholfen. Ich hätte Kira vernichten können, und Oda. Sie für das bestrafen, was … nun ja, für alles, was sie getan haben. Für meinen Vater. Die Äbtissin. Ich hätte so gern etwas für dich und Yukiko getan.«
Sie lächelte ihn an. »Ich bin sicher, dass du all das eines Tages tun wirst. Aber vorerst wäre es mir lieber, wenn du am Leben bleibst. Die Rache neigt dazu, Menschen zu verzehren.«
In diesem Augenblick war ein scharfer Knall zu hören, und Tarō wirbelte herum. Die Tür hinter ihnen war zugeschlagen worden. Er drückte dagegen, doch sie gab nicht nach.
Von draußen drang die unverkennbare, näselnde Stimme des Kleinen Kawabata herein. »Ich frage mich, was dieser Emporkömmling Tarō wohl in dem Reisspeicher will«, sagte er in einem seltsamen Flüsterton zu sich selbst, »obwohl er doch schlafen müsste! Vielleicht sollte ich meinem Vater Bescheid sagen, dass Tarō und Heikō sich des Nachts aus dem Berg davongeschlichen haben.«
Tarō schlug gegen die Tür. » Kleiner Kawabata, lass uns raus!«
» Kleiner Kawabata?«, erwiderte der Junge mit seidenglatter, gefährlich klingender Stimme. »Machst du dich etwa über mein Gewicht lustig? Wenn du mich beleidigst, warte ich vielleicht lieber, bis es Tag wird, ehe ich meinem Vater sage, wo du bist.« Seine Stimme bewegte sich zur Seitenwand der Hütte, und dann sah Tarō Finger, die durch einen Spalt zwischen den oberen Latten lugten und auf und ab wackelten. »Wenn die Sonne aufgeht, wird da jede Menge Licht hineinfallen. Ich hoffe, das tut nicht etwa weh oder so etwas. Aber so früh verwandelt zu werden muss eben auch seine Nachteile haben.«
Tarō blickte sich in dem Speicher um, der unten aus Stein und oben aus Holz gebaut war. Mondlicht fiel durch die schmalen Spalten zwischen einzelnen Brettern und bildete Lanzen aus Licht, die sich über den Reisbergen kreuzten und den Raum mit einem Geflecht aus schwachen bläulichen Strahlen durchzogen, in denen Reisstaub schillerte.
Bald würde dieses Licht nicht mehr vom Mond stammen.
Die helle Herbstsonne würde hereindringen.
»Ihr Götter …«, flüsterte er – nicht, weil er fürchtete, jemand könnte ihn hören, sondern weil ihm eine entsetzliche Erkenntnis fast die Sprache verschlug. »Er will mich umbringen.«
Heikō riss die Augen auf. »Aber natürlich … das Licht. Es wird deine Haut verbrennen.«
Auch sie begann nun an die Tür zu hämmern und schrie Kawabata zu, er solle sie herauslassen. Doch es nützte nichts. Der Junge lachte nur, leise und genüsslich, und ging dann davon. »Ich komme wieder und hole dich, wenn es Tag ist, Heikō. Wenn du weißt, was gut für dich ist, überlegst du dir bis dahin, wie deine Version der Ereignisse aussehen soll, falls irgendjemand auf die Idee kommt, mich zu befragen. Wir wollen doch nicht, dass dir während deines Aufenthalts im Krater irgendwelche Unfälle passieren.«
Sie hörten seine Schritte leiser werden und schließlich verklingen, als er bergan in Richtung Krater verschwand.
Sie wandten sich einander zu. »Der Bolzen«, sagte Heikō. »Er hat ihn aufgehoben und wieder ins Schloss geschoben. Wir sind eingesperrt.«
Tarō stöhnte. »Die Männer, die wir betäubt haben, werden bald wieder aufwachen. Dann werden sie das ganze Dorf alarmieren. Und bis zum Sonnenaufgang bleibt uns gerade noch ein Räucherstäbchen Zeit.«
Heikō wirkte fassungslos. »Aber … wie kann er das nur tun? Er wird dich damit umbringen!«
Tarō schloss die Augen und atmete tief durch.
Ihr Götter , dachte er. So also. So werde ich sterben.
Doch als er die Augen wieder öffnete, sah Heikō ihn bekümmert an, und er wusste, dass er nicht einfach in sinnlosem Grauen zusammenbrechen durfte. Er wollte nicht sterben, und sein Herz hämmerte vor Furcht vor dem nahenden Tageslicht, doch er würde darum kämpfen, am Leben zu bleiben.
»Wir haben keine Zeit zu verlieren«, sagte er zu Heikō. Er spannte sich an, zielte und trat hart gegen die Tür. Sie zitterte nur ein wenig. Er trat erneut zu, und noch einmal. Heikō half ihm, doch die Tür rührte sich nicht. Auch die steinernen Wände waren natürlich unverrückbar. Tarō kletterte zum obersten Teil hinauf, der aus Holz bestand, und suchte im Dach nach Lücken, durch die er sich vielleicht hinauszwängen könnte. Doch da war
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