Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition)

Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition)

Titel: Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Lake
Vom Netzwerk:
empor, einer hohen Kiefer, und kletterte über die gleichmäßig gewachsenen oberen Äste bis ganz hinauf. Dann spannte er die Muskeln, sprang auf den benachbarten Baum und landete so leicht wie ein Äffchen  – endlich einmal war sein zierlicher Körperbau nützlich. So sprang er von Baum zu Baum, bis er sich über dem Wachposten befand. Er rutschte vorsichtig hinunter, bis er direkt über dem Kopf des Mannes ankam. Er klammerte sich mit den Beinen fest und ließ den Oberkörper nach unten kippen, so dass sein Kopf auf gleicher Höhe mit dem des Wachpostens baumelte, nur verkehrt herum. Eine Sekunde lang begegneten sich ihre Blicke, und er sah, wie der Mann den Mund zum Schrei öffnete, doch Tarōs Shobō-Ring hatte bereits einen Druckpunkt an seinem Hals gefunden, und der Wächter sackte zu Boden.
    Sie trafen auf zwei weitere Wachposten, doch Heikō schaltete sie mit Leichtigkeit aus. Den einen schlug sie mit einem geschickten Schnippen ihres Shobō bewusstlos, den anderen erledigte sie mit dem Blasrohr.
    Der Reisspeicher hatte Grundmauern aus Stein und nur einen Zugang, und vor dieser Tür standen die beiden letzten Wächter. Tarō und Heikō kletterten aufs Dach, schoben sich nach vorn und ließen sich lautlos neben den Männern fallen. Denen blieb kaum genug Zeit, sich erschrocken umzudrehen, ehe zwei Shobō-Ringe sie bewusstlos schlugen.
    Heikō kniete sich vor die Tür und untersuchte das Schloss. »Ein traditionelles japanisches«, verkündete sie. »Kein portugiesisches. Das ist gut.«
    Sie erklärte Tarō, dass ein hohler Metallbolzen durch zwei flache, breite Ringe geschoben und von Stiften festgehalten wurde, die aus der oberen Ringschelle in passende Löcher in dem Zylinder hinabfielen. Um das Schloss zu öffnen, wurde ein Schlüssel in den hohlen Riegel geschoben. Zinken, die genau zur Form und Anzahl der kleinen Fallriegel passten, drückten diese wieder hinauf in die Schelle, so dass man den Zylinder herausziehen konnte.
    Sie nahm einen langen Schlüssel aus dem Beutel an ihrem Gürtel, an dessen Ende zwei Zinken hervorstanden wie die letzten Zähne eines alten Mannes. »Die meisten Schlösser in dieser Provinz stammen von demselben Schmied, und der ist zu faul, die Gussform für seine Schlösser allzu häufig zu wechseln«, flüsterte sie.
    Sie schob den Schlüssel in den Zylinder und drückte ihn hoch. Ein Klicken war zu hören. Heikō zog den hohlen Riegel heraus, und er glitt leicht aus den Halterungen. Sie legte ihn auf den Boden. »Es ist besser, den Bolzen immer draußen zu lassen. Man braucht keinen Schlüssel, um dieses Schloss zu schließen. Die Stifte fallen von allein wieder in die Löcher, sobald der Zylinder wieder an seinem Platz ist, deshalb kann es gefährlich sein, ihn stecken zu lassen, weil einen jemand einschließen könnte.«
    Sie gingen hinein. Haufen von Reis, die im trüben Licht wie Schneewehen schimmerten, ragten bis fast zur Decke auf. Tarō suchte nach seinem Bogen. Da ist er ja! Er hob ihn auf und drückte ihn an seine Brust. Dann hielt er ihn vor sich hin, packte beide Enden und bog ihn falsch herum durch, gegen die Maserung. Einen Moment lang leistete das Holz Widerstand. Dann gab es ein lautes Knacken, der Bogen brach entzwei, und der Griff fiel zu Boden. Die abgebrochenen Wurfarme schnellten durch die Luft, als die aufgestaute Energie frei wurde, und ein Ende peitschte dicht vor seinem Auge vorbei.
    »Was  –«, begann Heikō, doch Tarō legte seinen Zeigefinger an die Lippen. Er beugte sich vor und hob den Griff auf. Als der Bogen mittendurch gebrochen war, hatte das zylindrische Stück Holz, das den Korpus des Griffes gebildet hatte, einen Sprung bekommen, und nur das darum gewickelte Leder hielt es noch zusammen wie ein Verband ein geschientes Bein. Er schüttelte den Zylinder.
    Etwas fiel heraus.
    Er fing es auf, und als er das Gewicht in den Fingern spürte, wusste er, dass es nicht das sein konnte, was er sich erhofft hatte. Er seufzte und hob es hoch, um es sich anzusehen.
    Ein kleiner Zettel, zusammengerollt und mit etwas Faden umwickelt.
    Er hielt Heikō die Botschaft hin. »Was steht da?« Obwohl er flüsterte, war ihm die Enttäuschung anzuhören.
    Sie zerriss den Faden und entrollte das kleine Stück Papier. »Da steht: ›Der Junge, der diesen Bogen trägt, ist der Sohn des Fürsten Tokugawa.‹ Aber das wussten wir ja schon.«
    Er nickte kläglich.
    Sie gab ihm die Botschaft zurück. »Du hast etwas anderes erwartet?«
    »Ich dachte … Das war

Weitere Kostenlose Bücher