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Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition)

Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition)

Titel: Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Lake
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nicht gäbe, hätte Kira Kenji nichts von alledem getan, und niemand hätte sterben müssen.
    Yukiko sah Shūsaku brennen, und Tarō wankte auf sie zu, die Kleidung mit dem Blut seines Meisters befleckt.
    Ja, Tarō hatte ihn vergessen, genau wie Heikō. Aber Yukiko erinnerte sich an alles. Sie erinnerte sich daran, wie Tarō gegen den Kleinen Kawabata gekämpft und welches Geschick er dabei bewiesen hatte. Er hatte behauptet, er hätte Heikō nicht helfen, sondern nur gelähmt mit ansehen können, wie sie starb. Aber Yukiko war auch mit dem Gift betäubt worden, und sie war nicht gelähmt gewesen.
    Sondern bewusstlos.
    Und Tarō würde alles behaupten, wenn es ihm diente, nicht wahr? Sein Ehrgeiz war grenzenlos. Der Bauer, Sohn einer Ama, träumte davon, Shōgun zu werden, und überließ seine Freunde dem Tod.
    Als Yukiko ihn anstarrte, sah sie keinen Bauern, auch keinen Shōgun oder Vampir.
    Sie sah einen Verräter.

Kapitel 68
    Tarō drehte sich benommen um und ging auf den Turm zu.
    Yukiko hatte sich hochgerappelt. Er schob eine Hand unter ihren Arm und half ihr zur Tür. Einen Moment lang sah sie ihn mit einem seltsamen Blick an, mit kalten, harten Augen, dann ächzte sie.
    »Du weinst um ihn«, sagte sie.
    Tarō wischte sich eine Träne fort. »Ja.«
    »Hm. Aber Oda muss sterben, ja? Wir gehen weiter.«
    »Ja«, sagte Tarō. Ja. Sie würden weitergehen.
    Ihm entging der Hass in Yukikos Augen und ihr Gesichtsausdruck, als sie sich so fest auf die Unterlippe biss, dass sie zu bluten begann.
    Tarō öffnete die Tür und rechnete halb damit, von Samurai-Wachen angegriffen zu werden. Doch da war niemand.
    Namae hatte keinen Alarm geschlagen. Vielleicht hatte der Ninja in seiner Arroganz geglaubt, er brauche keine Verstärkung.
    Trotzdem besaß Tarō noch genug Geistesgegenwart, um davon auszugehen, dass auf der Treppe Wachen postiert sein würden, die das oberste Turmzimmer schützten. »Nein«, sagte er zu Yukiko. » Wir sollten nicht die Treppe hochsteigen. Sie wird sicher bewacht.«
    Wieder holte er die mit Metallspitzen versehenen Handschuhe hervor und führte Yukiko zur Mauer des Turms. »Wir klettern hinauf«, sagte er.
    Sie suchten sich den ersten Halt und begannen mit dem Aufstieg.
    Der Turm war wesentlich höher als die Burgmauer, die sie eben überwunden hatten, und bald brannten Tarōs Arme vor Anstrengung. Zweimal mussten sie innehalten und sich ausruhen, doch Tarō war bewusst, dass sie jederzeit gesehen werden konnten, während sie schutzlos an der Turmmauer hingen. Endlich erreichte er das oberste Fenster, einen breiten Schlitz, durch den er in einen großen, dunklen, kreisrunden Raum blickte. Das Fenster war breit genug, um sich hindurchzuschieben  – wer rechnete so hoch oben schon damit, dass jemand durch ein Fenster stieg?
    Tarō schob sich mit dem Kopf voran hindurch, überschlug sich in der Luft und landete wie eine Katze auf den Füßen. Vollkommen lautlos.
    Gleich darauf sprang Yukiko neben ihm herab.
    Tarō blickte sich rasch um. Sie standen in einem prachtvoll eingerichteten Schlafzimmer, dessen Boden aber erstaunlicherweise mit einer dicken Schicht Sägemehl bedeckt war. Tarō nahm an, dass der Raum zu einem anderen Zweck gedient haben musste, ehe Oda auf dem höchsten Turm Zuflucht gesucht hatte.
    (Damit hatte er recht. Wenn er etwas Sägemehl beiseitegewischt hätte, hätte er die Blutflecken auf dem Steinboden darunter gesehen.)
    Eine Ecke des Raumes war mit Wandschirmen abgeteilt, die mit Kranichen und Blüten bemalt waren. Tarō konnte dahinter gerade noch ein Bett sehen, dessen seidene Laken überflossen und kostbare Teiche auf dem Boden bildeten, so weich und weiß wie die Schaumkronen auf den Wellen von Kantō.
    Tarō schlich an der kreisrunden Wand entlang und erkundete den Rest des Zimmers. Yukiko folgte ihm, die Hand am Griff ihres Kurzschwerts. Da war ein Tisch mit vielen Bögen cremefarbenen Papiers und einer Schreibfeder. Es gab eine Truhe mit geschnitzten Reliefs von Drachen, Dämonen und Teufeln. Auf einem zierlichen Ständer saß ein prachtvoller Sperber mit einer Haube über dem Kopf. Während Tarō und Yukiko durchs Zimmer schlichen, wandte der Vogel den Kopf und folgte ihren kaum hörbaren Schritten.
    Ein Geräusch vom Bett her erschreckte Tarō, und er wirbelte herum und sah an der Wand hinter dem Bett eine Lampe aufflammen, die die klar umrissene Silhouette einer stehenden Gestalt auf den Wandschirm warf.
    Dann trat die Gestalt hinter dem Wandschirm hervor.
    Goldener

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