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Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition)

Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition)

Titel: Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Lake
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Shūsaku hätte keine Ehre? Das erschien ihm jetzt unfassbar. Er sah gerade mit an, wie sein Meister sich für einen anderen opferte. Er war immer noch ein wahrhaftiger Samurai-Fürst. Namae drehte sich und schleuderte Shuriken fächerförmig um sich herum.
    Einer von ihnen fand sein Ziel und blieb blutig mitten in der Luft hängen wie ein Beweis der Schuld in einem Nō-Theater, in dem es um Mord und Geister ging.
    Darüber erschienen zwei überrascht aufgerissene Augen.
    Namae bewegte sich schneller, als Tarō es je für möglich gehalten hätte  – schneller, als selbst Shūsaku sein konnte. Sein Schwert fuhr über Shūsakus Augen, schlug sie ihm aus, schoss dann blitzschnell vor und bohrte sich in einen unsichtbaren Bauch. Namae ließ das Heft los und zog den Arm mit einer verächtlichen, triumphierenden Bewegung zurück.
    »NEEEIN!«, schrie Tarō in entsetzter Trauer um seinen Mentor, seinen Freund, seinen Retter.
    Einen Moment lang blieb der unsichtbare Körper stehen wie von der Schwertklinge an die Luft geheftet, dann brach Shūsaku wie eine Marionette zusammen. Blut schoss aus seinen Augenhöhlen und ließ sein Gesicht aus dem Nichts erscheinen, als es über seine Wangen lief. Ein Fleck breitete sich auch um die Klinge von Namaes Kurzschwert aus.
    Namae ging auf die Maske aus Blut zu.
    Weder er noch Tarō sahen die Hand, nicht von Blut befleckt, die über den Boden tastete und nach dem Heft eines Schwertes suchte.
    Namae sah auch die Klinge nicht, als sie hochschnellte, in einem Bogen durch die Luft flog und ihm beim nächsten Schritt vorwärts in die Kehle fuhr. Sie hieb ihm fast den Kopf ab, so dass sein Gesicht nur noch an einem Knorpel von einer Schulter baumelte.
    Namae krachte zu Boden, und eine Frage starb auf seinen Lippen.
    »Es tut mir leid«, sagte Shūsaku mit schwacher Stimme. »Ihr hättet einen besseren Tod verdient. Aber ich schütze den Sohn meines Herrn.«
    Als die Sonne ihn verbrannte, begann sein Körper aus dem Nichts zu erscheinen wie ein Schatten, der im helleren Licht immer dunkler wurde.
    Shūsaku fiel auf die Knie, und sein ganzer Körper rauchte. Tarō lief zu ihm und stieß ein sinnloses Gewimmer aus: »Nein, nein, nein, nein …«
    Er konnte den Ninja zwar noch auffangen, ehe er zu Boden fiel, doch er konnte nicht mehr verhindern, dass das Leben aus seinem Körper floh.
    Shūsakus blinde Augenhöhlen schienen bis in Tarōs Geist zu schauen, als Tarō nach dem glitschigen, blutigen Heft des Schwertes griff und versuchte, es herauszuziehen. Doch dann wurde ihm klar, wie zwecklos das war  – die Klinge würde den Ninja nicht töten, die Sonne hingegen schon.
    »Lass nur«, sagte der Ninja. »Für mich ist es zu spät. Geh zu Musashi, dem Schwertheiligen. Sag ihm, dass ich dich geschickt habe. Er wird dich lehren, was du brauchst.«
    Er schwieg kurz. »Shōgun« , hauchte er, die blinden Augen auf Tarō gerichtet.
    Dann starb er.

Kapitel 67
    Lichtblitze zuckten vor Yukikos Augen, als hätte sie zu lange in die Mittagssonne gestarrt. Ihr Kopf schmerzte höllisch, und ihre Glieder gehorchten ihr nicht.
    Sie sah Namae mit beinahe abgetrenntem Kopf am Boden liegen und war froh.
    Dann entdeckte sie Shūsaku. Der Mann, den sie als ihren Onkel betrachtete, lag auf dem Boden, die Augenhöhlen voller Blut. Tarō kniete neben ihm und umklammerte das Schwert, das Shūsaku durchbohrt hatte. Yukiko sah, wie Tarō das Heft losließ und taumelnd aufstand.
    Yukiko riss die Augen auf. Hatte Tarō Shūsaku getötet? Und wenn ja, warum?
    Ihr kam ein schrecklicher Gedanke. Er hält seine Bestimmung für wichtiger. Shōgun zu werden war alles, was für diesen Jungen zählte. Sie dachte an ihre Schwester. Offenbar hatte Tarō sie schon vergessen, ebenso wie seinen Meister, der rauchend auf dem Pflaster lag, während die Sonne seine Haut versengte und der Gestank seines brennenden Fleisches Yukiko in die Nase drang.
    Wohin Tarō auch ging, brachte er den Tod mit sich. Der Äbtissin, Heikō und nun auch Shūsaku. Womöglich war Hirō inzwischen ebenfalls tot. Tarō war Gift für die Welt  – er wirkte wie eine Seuche, als infiziere seine bloße Existenz alle in seiner Nähe mit dem Pesthauch des Todes.
    Und was hatte Fürst Oda eigentlich getan? Er hatte nur versucht, dieses Übel von der Erde zu tilgen, die Quelle der Seuche zu beseitigen. Sein Samurai, Kira Kenji, hatte ihre Ziehmutter und ihre Schwester getötet, das stimmte, aber er hatte das getan, um Tarōs habhaft zu werden.
    Wenn es Tarō

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