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Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition)

Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition)

Titel: Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Lake
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machtlos war: Hana erwiderte seine offenkundige Bewunderung nicht.
    Kira beugte den langen, ausgemergelten Leib so tief über sie, dass sie sich zur Seite winden musste, und nahm ihr Blatt Papier vom Tisch. Er musterte die Form, die sie gerade gemalt hatte, das Zeichen für »Kranich«.
    »Eure Striche sind zu kräftig«, bemerkte er mit seiner näselnden Aussprache. Er schnalzte mit der Zunge über den Fehler, den sie gemacht hatte, als sie über sein Hüsteln erschrocken war. »Ihr müsst Euch um eine damenhaftere Pinselführung bemühen, wenn Ihr als gute Partie für einen angesehenen Edelmann gelten wollt.« Er lächelte sie an und enthüllte dabei faulige Zähne und rotes, blutendes Zahnfleisch. »Außer natürlich, Ihr hättet bereits ein Auge auf jemanden geworfen …?«
    Hana schüttelte den Kopf. »Es wäre nutzlos für mich, jemanden ins Auge zu fassen. Ich werde denjenigen heiraten, mit dem mein Vater mich zu verheiraten wünscht.«
    Kira verneigte sich. »In der Tat. Wir wollen hoffen, dass er eine kluge Wahl trifft.«
    Hanas Kalligrafie-Lehrer räusperte sich. »Verehrter Kira  – möchtet Ihr, dass ich den Unterricht für heute beende?«
    »Nein. Ich wollte Prinzessin Hana lediglich darüber informieren, dass ich zu einer Mission für ihren Vater aufbrechen werde, einer sehr gefährlichen Suche nach einem verlorenen Gut. Es ist natürlich eine große Ehre, dass ich mit einer so bedeutenden Angelegenheit betraut wurde.« Mit stolzgeschwellter Brust fuhr er sich mit den Fingern durch das fettige Haar, das er nach Art der Samurai lang und zurückgebunden trug.
    Ein Mann, der mit seiner Ehre prahlt , dachte Hana, besitzt nicht viel davon. Doch laut sagte sie: »Was ist das für ein … Gut, das Ihr wiederbeschaffen sollt?«
    Kira legte den Zeigefinger an die Lippen. »Etwas, das Daimyō Oda um jeden Preis besitzen will. Doch jene, die er zuvor ausgesandt hat, es zu suchen, haben versagt. Ich werde ihn nicht enttäuschen. Und wenn ich damit zurückkehre … wer weiß? Der Daimyō wird mich, seinen treuen Diener, zweifellos dafür belohnen wollen.« Er verneigte sich noch einmal vor Hana und fixierte sie mit seinen milchigen Augen. » Wenn ich zurückkomme, werden wir uns vielleicht künftig unter anderen Vorzeichen begegnen.«

Kapitel 11
    Schwarze Kleidungsstücke kamen in die Hütte geschwebt, scheinbar von ganz allein.
    Tarō starrte sie an, während die Kleidung zu Boden fiel. Dann erschrak er fürchterlich, als ein Augenpaar plötzlich vor ihm in der Luft erschien.
    »Du kannst mich nicht sehen?«, fragte Shūsakus Stimme.
    »Ich s-sehe deine Augen«, stammelte Tarō.
    Die Augen hüpften auf und ab.
    Tarō glotzte sie verständnislos an.
    »Oh, Verzeihung«, sagte Shūsaku. »Ich habe genickt.«
    Tarōs Blick blieb so starr wie zuvor. Hirō drehte sich zu ihm um. »Was ist denn? Du kannst ihn nicht sehen? Aber er steht direkt vor uns. Er trägt schwarze Schrift am ganzen Körper. Kanji.«
    Tarō schüttelte den Kopf. »Nein, ich sehe ihn nicht.«
    Die körperlosen Augen wandten sich dem Haufen Kleidung zu. Ein Hakama hob sich in die Luft, gefolgt von einem Kimono. Sie legten sich um zwei Beine und einen Oberkörper, die Tarō nun deutlich erkennen konnte, unter einem Augenpaar, das in der leeren Luft hing.
    Nun schwebte ein langes, schwarzes Tuch vom Boden hoch und wickelte sich mehrmals um einen unsichtbaren Kopf, bis das, was vor Tarō in der Hütte stand, wieder ein ganz in Schwarz gekleideter Mann war, dessen Maske nur die Augen freiließ. Er kniete sich neben Tarō und packte den Pfeil in dessen Schulter. »Das wird wehtun«, sagte er und stieß die Pfeilspitze dann geradewegs durch den Rücken hinaus. Tarō würgte vor Schmerz, genau wie beim zweiten Pfeil. Doch als er die Wunden betrachtete, staunte er erneut darüber, wie schnell sie verheilten.
    Als der Schmerz abgeklungen war, sah er Shūsaku eindringlich an. » Warum konnte ich dich eben nicht sehen?«, fragte er. »Ist das ein Ninja-Trick?«
    »Nicht direkt. Es ist ein Trick gegen Ninja.«
    »Wie funktioniert er?«
    Shūsaku musterte ihn mit schmalen Augen. »Kannst du es nicht erraten?«
    »Die Tätowierungen«, warf Hirō ein. »Sie schützen dich vor Blicken.«
    Shūsaku nickte. »Hast du sie gelesen?«
    »Nein. Ich kann nicht lesen.«
    Der Ninja schüttelte offenbar enttäuscht den Kopf. Er wandte sich Tarō zu. »Und du?«
    »Nein.«
    »Eine Schande.«
    »Ich kann deine Tätowierungen nicht einmal sehen «, entgegnete Tarō.

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