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Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition)

Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition)

Titel: Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Lake
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»Außerdem kann in unserem Dorf niemand lesen.«
    »Das ist es ja«, sagte der Ninja. »Diese Dörfler sind ungebildete Bauern.« Tarō fragte sich, was der Mann erwartet hatte  – auch er und Hirō waren einfache Bauern. Shūsaku seufzte und rollte dann einen Ärmel hoch. Die Wirkung war beunruhigend. Denn für Tarō war der Arm des Mannes einfach verschwunden.
    Aber Hirō konnte offenbar noch etwas sehen. Er beugte sich vor, während der Ninja mit einem behandschuhten Finger durch die leere Luft strich.
    »Shiki fu i kū, kū fu i shiki, shiki zozu ze kū, kū zozu ze shiki. Form ist Leere, Leere ist Form. Leere ist nicht verschieden von der Form, und Form ist nicht verschieden von der Leere. Das ist das Herz-Sutra, eine alte Weisheit des Buddhas. Auf Geister wirkt es wie ein Zauber. Es erinnert sie daran, dass Form und Leere ein und dasselbe sind  – und so verbirgt es meine Form. Böse Geister sind ebenso wenig wie gute Geister in der Lage, die Wahrheiten Buddhas zu leugnen.«
    »Aber ich bin kein Geist«, widersprach Tarō.
    »Du bist jetzt ein Vampir«, erklärte der Ninja. »Also bist du zum Teil ein Geist. Wir Vampire können unsere Abstammung bis zu jenen Zeiten zurückverfolgen, als Geister noch überall waren und unter den Menschen wandelten und lebten. Wie ich bereits sagte, behaupten einige Leute, dass wir von den Kami der Nacht abstammen.«
    Tarō wusste nicht, was er dazu sagen sollte. So viele Jahre hatten die Leute in seinem Dorf gescherzt, er sei zur Hälfte ein Kami  – ein Abkömmling der göttlichen Geister, die in den Flüssen, Wäldern und Bergen Japans lebten  –, und nun behauptete Shūsaku, dass das tatsächlich wahr sein könnte! Er wusste, dass es viele Kami in jedem Wald und jeder Höhle an der Küste gegeben hatte, ehe sie vom Buddha verjagt worden waren, aber …
    Tarō ließ diese Gedanken, die sich gegen ihn wehrten wie ein Fisch an einer Angelschnur, vorerst davonschwimmen. Fürs Erste würde er sich an die einfachen Fragen halten. »Du bist ein Vampir«, sagte er. »Und …« Er holte tief Luft. »Und du hast mich ebenfalls in einen Vampir verwandelt. Warum solltest du dich dann für deinesgleichen unsichtbar machen?«
    »Damit ich sie töten kann. Und jetzt sollten wir gehen. Von dieser Nacht sind nicht mehr viele Stunden übrig, und wir müssen das Haus der Frau erreichen, von der ich euch erzählt habe.«
    Sie verließen die kleine Hütte und machten sich auf in den Wald. Shūsaku blickte ständig wachsam nach links und rechts für den Fall, dass einige der Ninja so mutig gewesen sein sollten, in der Nähe zu bleiben.
    »Wir müssen dicht an Nagoya vorbei«, erklärte er, »um zu den Hügeln zu gelangen, in denen diese Frau lebt. Wir müssen sehr vorsichtig sein. Wenn möglich sollten wir uns irgendein Gefährt suchen, in dem wir uns verstecken können. Einen Karren vielleicht oder eine Sänfte. Wenn wir ungeschützt gesehen werden, wird Oda uns auf der Stelle töten.«
    Tarō und Hirō schnappten nach Luft. Daimyō Oda Nobunaga war in Kantō ein legendärer Held. Sowohl die unhöfliche Abkürzung seines Namens  – einfach »Oda« statt »Fürst Oda«  – als auch die Vorstellung, dass dieses Vorbild, das stets die Ideale der Samurai hochhielt, sie angeblich töten wollte, schockierten sie zutiefst.
    »Aber Fürst Oda ist ein großer Daimyō!«, sagte Tarō. »Warum sollte er uns töten wollen?«
    Shūsaku zögerte. »Er … mag Fremde nicht besonders. Zwei Bauern und ein Ninja? Das ist ein verdächtiges Grüppchen.«
    Tarō lachte. »Ein Samurai ermordet doch nicht grundlos fremde Reisende. Fürst Oda ist ein Mann der Ehre.«
    Nun war es Shūsaku, der laut lachte. »Glaubst du, ein Mann könnte den Titel des Schwertheiligen so lange behalten, wenn er ehrenhaft kämpft?«
    »Ich glaube jedenfalls nicht, dass er Leute ermordet, die sich nicht verteidigen können«, erwiderte Tarō verbittert. »Leute, die ihn nicht einmal sehen können.«
    Hirō sog bei dieser Unverschämtheit scharf die Luft ein, doch Tarō scherte sich nicht darum. Wer war dieser Ninja, dass er ihm etwas von Ehre erzählen wollte? Er war nichts weiter als ein bezahlter Meuchler, der sich nichts dabei dachte, schutzlose Männer kaltblütig zu ermorden. Hatte Tarō nicht selbst gesehen, wie er jemanden von hinten durchbohrt hatte, wie er blinde Feinde attackiert hatte, die sich hilflos und panisch um sich selbst drehten und nicht sehen konnten, wo er war?
    Der Mann schien keine Vorstellung

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