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Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition)

Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition)

Titel: Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Lake
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diesen leeren Augen anstarrte, nicht mehr los.
    Er sank auf ein Kissen.
    »Die Dinge, die sie sieht … treffen nicht immer ein«, sagte Heikō. »Manchmal können die Entscheidungen der Menschen sie verändern.«
    Tarō brummte. Vielleicht war er auch nur wie Gift  – der Preis für sein Leben war der Schmerz anderer Menschen.
    Hirō legte ihm unbeholfen eine Hand auf die Schulter.
    »Du könntest jederzeit gehen, weißt du?«, sagte Tarō, ohne zu seinem Freund aufzublicken. Er schaute in den Garten hinaus und konzentrierte sich auf die Blüten an den Bäumen und den Mond, der die Blumen beschien. »Du hast ja gehört, was sie gesagt hat. Ich bin ein Ungeheuer. Ein Dämon. Du wirst Leid erfahren, wenn du bei mir bleibst, vielleicht sogar sterben.«
    »Wohin sollte ich denn gehen?«, erwiderte Hirō.
    »Ich weiß nicht. Irgendwohin. Ich muss mit Shūsaku gehen, sonst werde ich meine Mutter nie finden. Aber du …«
    »Ich könnte fortgehen und ein neues Leben anfangen«, beendete Hirō den Satz.
    »Hm, ja.«
    Hirō setzte sich neben ihn. »Ich habe bereits ein neues Leben angefangen«, sagte er. »Als du es gerettet hast.«
    Tarō nickte, doch er fühlte sich niedergeschlagen. Was er auch sagte, nichts konnte seinen Freund dazu bewegen, ihn zu verlassen, und davon wurde ihm zugleich warm und kalt ums Herz. Er war froh, einen so loyalen Verbündeten zu haben, aber er ertrug die Vorstellung nicht, dass Hirō seinetwegen verletzt werden könnte. Zu seiner Überraschung stellte er fest, dass ihm ebenso vor dem Gedanken graute, Shūsaku könnte etwas geschehen. Der Mann hatte ihm das Leben gerettet.
    Als er zu Heikō aufblickte, hatte sie Tränen in den Augen.
    »Ich könnte es nicht ertragen, wenn Shūsaku etwas zustoßen sollte«, sagte sie. »Er hat mir das Leben gerettet.«
    Tarō nickte, verblüfft über dieses Echo seiner Gedanken in ihren Worten. »Mir auch. Aber mach dir keine Sorgen um ihn«, zwang er sich zu sagen. »Er kann sich verteidigen. Er kämpft so anmutig wie eine Apsara und so wild entschlossen wie ein Dämon. Ich habe noch nie gesehen, dass er irgendeine Schwäche gezeigt hätte.«
    »Ja«, sagte Heikō nachdenklich. »Das macht mir ja solche Sorgen.«
    Tarō nickte. Er wollte nicht, dass noch jemand seinetwegen leiden musste. Dann kam ihm eine Idee. »Es ist doch noch Obon, oder?« Er sah Heikō an. »Habt ihr buntes Papier übrig? Und Kerzen?«
    »Du möchtest eine Botschaft schicken?«, fragte sie.
    »Ja. An meinen Vater. Er wurde ermordet, als Shūsaku mich gerettet hat.«
    Sie nickte. »Ich hole die Sachen.«
    Bald darauf stand Tarō mit Hirō und Heikō auf der Brücke, wo er die Mädchen zum ersten Mal gesehen hatte. Tarō hielt die längliche Tōrōnagashi-Laterne in den Händen. Er beugte sich von der Brücke und setzte sie aufs Wasser. Die Botschaft darin war einfach  – obwohl Heikō, wie sie nun einmal war, sie zweimal neu geschrieben hatte, bis sie mit ihren Pinselstrichen zufrieden gewesen war.
    Es tut mir leid , lautete die Nachricht. Ich vermisse Dich. Bitte schütze meine Freunde.
    Tarō begann das Gebet zu murmeln, das seine Botschaft zum Amida Buddha tragen würde und von diesem zur Seele seines Vaters, wo immer sie auch sein mochte. Er hoffte, dass sie ins Reine Land des Amida Buddha eingegangen war, nicht ins Reich der Tiere oder hungrigen Geister.
    Tarō merkte kaum, dass Hirō und Heikō sich zurückzogen, ihn mit seiner Trauer allein ließen und ins Haus zurückkehrten.
    Er blieb lange dort, lauschte dem Murmeln des Baches und betrachtete die Schatten der Bäume und die seltsamen, ausgewaschenen Farben der Blüten im Mondlicht. Er stand so still, dass der Reiher, den sie vorhin gesehen hatten, zurückkehrte, um mit anmutig geneigtem Kopf im Bach zu stehen und in das klare Wasser zu schauen.
    Schließlich holte Tarō tief Luft und wandte sich dem Haus zu. Da hörte er ein leises Raunen, das sich ins Plätschern des Baches mischte. Doch das war nicht der Laut von Wasser. Es waren zwei Menschen, die sich flüsternd unterhielten.
    Er folgte den Stimmen zu der Shōji-Tür ganz links am Haus. Sie gehörte zu einem Raum, der kleiner war als jener, in dem die Äbtissin in die Zukunft geblickt hatte. Tarō konnte durch die transparente Wand aus bemaltem Papier dort drin kaum etwas erkennen außer den Schatten zweier Menschen, die dicht beieinanderstanden und sich mit ernsten Flüsterstimmen unterhielten.
    Shūsaku und die Äbtissin.
    Tarō schlich so nah wie möglich an die

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