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Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition)

Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition)

Titel: Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Lake
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Opfer fallen sollte, war unerträglich. Sie hatte Haar so schwarz wie Rabenfedern, und ihre Augen mit den langen Wimpern waren so sanft gerundet wie Taubenflügel. Bei ihrem Anblick spürte Tarō ein Kribbeln im Magen.
    Er drehte sich nach Shūsaku um, der noch immer reglos hinter seinem Busch hockte. Wollte der Ninja denn gar nichts tun ? Neuer Abscheu wallte in ihm auf. Wieder einmal war Tarō nicht in der Lage, etwas Schreckliches zu verhindern. Wieder musste er stillhalten, während die Mächtigen einen Schwächeren quälten. Mit welchem Recht kritisierte Shūsaku die Ehre der Samurai, wenn er selbst keinen Funken Ehre besaß?
    Doch dann hob Shūsaku die Hand, mit der Handfläche nach oben  – wartet. Er breitete drei Finger fächerförmig aus und stieß sie nach vorn  – dann schlagen wir zugleich los. Er deutete auf die Rōnin und bewegte dann die flache Hand quer vor seinem Hals  – und töten sie.
     
    Prinzessin Hana war in einem Haushalt des Kriegeradels aufgewachsen, einem der ältesten und berühmtesten Samurai-Häuser. Sie hatte gelernt, dem Tod mit kühler Gelassenheit entgegenzusehen, auch dem Seppuku-Ritual, falls das von ihr verlangt wurde.
    Sie war gewiss nicht bereit, sich ihren Tod von diesen Rohlingen diktieren zu lassen. Wenn sie sterben musste, dann nach ihrem eigenen Willen.
    Sie wusste, dass dazu nicht viel nötig war: Sie brauchte sich nur plötzlich nach vorn zu beugen und die Arme des großen Mannes festzuhalten, dann würde sein Schwert ihr in den Hals fahren. Sie würde schnell sterben.
    Sie schob den Oberkörper ganz leicht zurück, bereit, den Kopf kräftig nach vorn zu werfen, und –
     
    Shūsaku sprang hinter seinem Busch hervor. »Lass die Frau los«, sagte er mit einer gelassenen, tödlichen Drohung in der Stimme. Hirō brach brüllend durchs Unterholz, und Tarō stürmte vor und zog den Bogen von seiner Schulter …
     
    Hana hatte es gerade noch geschafft, die Bewegung abzufangen, ehe ihr Hals auf die Schwertspitze traf. Sie sah zu, wie ein Bauer auf die Lichtung trat. Sein Gesicht war mit dunklen Geschwülsten bedeckt  – Spuren irgendeiner schrecklichen Krankheit, nahm Hana an.
    Dann trampelte ein kräftiger Junge von der Seite her auf die Lichtung. Ein weiterer Junge, schlanker als der erste, näherte sich von der anderen Seite.
    Die Rōnin drehten sich um, alle Muskeln angespannt. Sie waren überrumpelt worden, doch Hana entging nicht, dass der Mann vor ihr noch immer das Schwert an ihre Kehle hielt.
    Der erste Junge war massig, mit dem Körperbau und den Bewegungen eines Ringers. Der andere war kleiner, seine Gesichtszüge feiner, beinahe adlig. Hana fragte sich, ob er der Sohn eines Fürsten sein könnte. Er hielt einen Bogen in der Hand.
    Der Bauer hob einen Arm. »Ich muss euch auffordern, die Dame loszulassen«, sagte er zu den Rōnin.
    Der große Mann, der Hana festhielt, lachte mit tiefer Stimme. »Scher dich weg, Bauer. Du kannst von Glück sagen, wenn wir dich nicht jagen und töten, sobald wir mit dem Mädchen fertig sind.«
    »Bitte, es ist schon gut«, sagte Hana zu den Bauern. »Ich bin eine Samurai. Ich werde meinem Tod tapfer ins Auge sehen.« Sie wollte nicht, dass dieser Bauer oder seine Söhne ihretwegen umkamen. Zugleich war ihr nicht bewusst, was sie mit diesen Worten andeutete: dass nur ein Samurai tapfer sterben konnte und ein ruhmreicher Tod den Bauern dieser Welt verwehrt war.
    Trotzdem trat der Bauer einen Schritt vor, zu Hanas Überraschung. »Ich sagte, lasst die Dame los.« Irgendetwas an der Stimme dieses Mannes kam Hana seltsam vor. Sie klang viel zu ruhig, zu gemessen für einen Mann seines Standes  – und in seiner Lage.
    Der große Mann zog eine verächtliche Grimasse. »Und ich sagte, packt euch .« Er zog das Schwert von Hanas Kehle weg und hielt es dem Bauern entgegen.
    »Also, das war ein Fehler«, sprach der in Lumpen gehüllte Mann. »Meine einzige Befürchtung war die, dass du ihr versehentlich die Kehle aufschlitzen könntest.«
    »Was bei  –«, sagte der Rōnin. Dann erstrahlte ein silberner Stern in seinem Auge. Er wurde zurückgeschleudert und ließ Hana los. Blut schoss aus seinem Auge, und dann durchbohrte ein Pfeil seine Kehle. Der kleinere Junge hatte irgendwie den Bogen angelegt und geschossen, ohne dass Hana es gesehen hatte; dabei hatte sie ihn und seinen Vater genau beobachtet.
    Der andere Rōnin drehte sich um, und sein Schwert zischte summend durch die Luft, doch er war viel zu langsam. Das Schwert

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