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Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition)

Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition)

Titel: Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Lake
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um und sah, wie Hirō sich flach auf den Boden warf. Er selbst versteckte sich hinter einem dichten Busch, als die Rōnin sich umdrehten und forschend hinter sich blickten.
    Nicht umkehren, nicht umkehren.
    Sie zuckten mit den Schultern und setzten ihren Weg fort.
    Tarō stieß den Atem aus, richtete sich ein wenig auf und schlich weiter zwischen den Bäumen hindurch.
    Vor ihm duckte Shūsaku sich plötzlich hinter einen Busch und blieb dort. Hirō rückte so nah heran, wie er es wagte. Der Ninja beobachtete eine Lichtung am Weg, auf der die drei Rōnin innegehalten hatten. Sie waren nur Silhouetten in der Dunkelheit, doch das Sternenlicht schimmerte auf dem Metall ihrer Waffen und Rüstungen. Hirō arbeitete sich langsam und sehr vorsichtig im Bogen um die Lichtung herum, bis er beinahe so dicht am Waldrand war wie Shūsaku, nur auf der anderen Seite. Tarō schlich in die andere Richtung, bis die drei die Rōnin eingekreist hatten.
    Er beobachtete, wie der Mann mit dem Sack seine Last abwarf, die mit einem dumpfen Schlag auf dem Boden landete. Was auch immer in dem Sack steckte, war ziemlich schwer.
    Einer der Rōnin sammelte Holz für ein Feuer. Nun begannen die Männer sich zu unterhalten. Von Tarōs Versteck aus waren die Worte nicht deutlich zu verstehen, aber offenbar stritten sie darum, wie etwas verteilt werden sollte. Einer der Männer  – der mit dem toten Tier auf den Hörnern  – riss einem der anderen etwas aus den Händen, rannte zum anderen Ende der Lichtung und feixte wie ein Kind, das seinem Freund ein Spielzeug gestohlen hat. Der dritte Mann, der immer noch damit beschäftigt war, sein Feuer zu entfachen, brummte gereizt und forderte die beiden anderen auf, zurückzukommen. »Es ist genug für uns alle da«, sagte er, und seine hohe Stimme trug weiter als die der anderen. »Unser Mann muss auf der Burg gute Geschäfte gemacht haben.«
    »Ja«, sagte ein anderer. »Und er hat noch einen guten Tag zu leben, bis dieser Edelstein wieder zum Vorschein kommt, den er verschluckt hat.«
    Die anderen Männer lachten, und Tarō dachte: Welcher Mann?
    Da flackerte endlich das Feuer auf, und Tarō sah, dass da kein Sack vor den Männern auf dem Boden lag. Es war ein menschlicher Körper.
    Er regte sich und stöhnte.
     
    Prinzessin Oda no Hana verließ den Garten des Gasthauses, in dem sie für die Nacht abgestiegen waren. Es war fast vollkommen dunkel, und der Mond hing wie eine bläulich weiß schimmernde Laterne über dem Bambuszaun. Der Garten war sehr hübsch angelegt  – wie die Provinz Kantō in Miniatur. Ein Bach, der am Zaun entlangfloss, diente als Meer, Haufen aus Erde und Steinen stellten die Berge dar, die das kleine Anwesen umringten.
    Es hatte den ganzen Tag geregnet, doch nun war der Himmel klar. Tau tropfte von den Chrysanthemen und Orchideen im Garten. An den Ziersträuchern und Hecken hingen Spinnennetze wie hauchdünne Stofffetzen vom Kleid einer Hofdame. Wo die Netze gerissen waren, reihten sich Regentropfen an den Fäden wie weiße Perlenketten.
    Hana sog tief die kühle Luft und den Geruch der Blumen ein. Sie liebte diese späte Nachtzeit, wenn ihre Hofdamen und Wachen sich schlafen gelegt hatten und sie in Ruhe träumen und nachdenken konnte. Ihr Vater speiste mit einem Fürsten auf dessen naher Burg und hatte Hana gegenüber angedeutet, dieser Mann könnte eines Tages ihr Ehemann werden.
    Den Scherzen und Anspielungen, die Hana von den Dienerinnen gehört hatte, entnahm sie jedoch, dass der fragliche Fürst sehr dick war und aufgrund seines hohen Alters und seiner Fettleibigkeit an Überanstrengung sterben könnte, falls er seinen Platz am Esstisch verließe, was er wohl sehr selten tat. Er war fünfundsechzig, erzählten sie.
    Prinzessin Hana war sechzehn.
    Sie atmete die Nachtluft und den Blumenduft ein. Trotz der kleinen Unannehmlichkeit eines möglichen Ehemanns war sie froh, endlich einmal der Burg Oda entkommen zu sein, mit ihren Mauern und Kalligrafie-Lehrern und dem vielen Schweigen. Ihr Vater nahm sie für gewöhnlich nicht auf solche Reisen mit, doch er wirkte in letzter Zeit … nervös  – oder nein, nicht direkt nervös, denn was sollte einen Schwertheiligen schon nervös machen? Er war eher unruhig und argwöhnisch.
    In den vergangenen paar Tagen hatte er darauf bestanden, dass Hana ihn überallhin begleitete.
    Nun war sie also hier im Garten, während er dem Fürsten, den er zum Schwiegersohn auserkoren hatte, irgendeinen ungeheuerlichen Preis dafür

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