Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition)

Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition)

Titel: Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Lake
Vom Netzwerk:
auch aus schierer Blutgier zu allem fähig. Einer von ihnen grinste sie an. An einem Horn auf seinem Helm steckte ein Baummarder, den Hana zu ihrem Entsetzen zucken sah, als wäre er eben erst aufgespießt worden. Der Mann hatte kaum mehr Zähne im Mund.
    Hana senkte den Blick, und da sah sie den Leichnam eines dicken Mannes auf dem Boden liegen. Die Kleidung des Toten war von bester Qualität, und seine weichen Hände hatten wohl kaum jemals schwere Arbeit verrichtet. Wenn Hana hätte raten sollen, hätte sie »Kaufmann« gesagt.
    Seine hervorgequollenen Eingeweide lagen glänzend und nass wie ein neugeborenes Kind auf dem Moos.
    »Na«, sagte der erste Mann, der immer noch Hanas Arm festhielt. »Sieht ganz so aus, als hättet Ihr Euch verlaufen. Können wir Euch vielleicht helfen, den rechten Weg zu finden?«
    »B-bitte, lasst mich los«, sagte Hana, die Schwäche vortäuschte. »Ich gehöre zum Hofstaat. Fürst Oda wird ein großzügiges Lösegeld für meine Freiheit bezahlen.« Sie hielt es für klüger, nicht zu erwähnen, dass er ihr Vater war  – wenn sie das wüssten, wäre es leichter, sie zu töten, als sie am Leben zu lassen und Odas Zorn auf sich zu ziehen.
    Der Mann ohne Zähne grinste. »Das wäre sehr erfreulich. Allerdings könnte es viele Tage dauern, bis dieses Lösegeld eintrifft, von dem Ihr sprecht. Dabei haben wir Euren Schmuck hier vor uns, schon in diesem Augenblick! Das erscheint mir so günstig, dass es geradezu nachlässig von uns wäre, diese Gelegenheit nicht zu nutzen. Immerhin heißt es, dass ein Samurai nicht zögern, sondern in allen Dingen entschlossen handeln sollte.« Er verneigte sich in einer Parodie höfischer Manieren.
    In diesem Moment ließ Hana die schmale Klinge, die sie stets in ihrem Ärmel verborgen bei sich trug, in ihre Hand fallen. Wie ein Sperber im Sturzflug schoss die Hand nach vorn.
    Iaidō: die Kunst, in einer einzigen Bewegung das Schwert zu ziehen und den ersten Streich zu führen.
    Ja, Prinzessin Oda no Hana war ein Mädchen, das Gärten liebte und die verschiedenen Formen des Windes. Aber sie war auch eine Samurai.
    Die Klinge fuhr in die Brust des Rōnin und wieder heraus, so schnell, dass ein Beobachter die Bewegung wohl übersehen hätte. Selbst der Rōnin bemerkte sie nicht wirklich. Er blickte an sich hinab, sah keine Verletzung und lächelte.
    Dann quoll Blut aus der kleinen Stichwunde hervor, und er taumelte.
    Der Mann, der Hanas Arm gepackt hielt, verstärkte seinen Griff und verdrehte ihr das Handgelenk, bis die Klinge zu Boden fiel. »Kleine Natter«, zischte er, während sein Gefährte auf die Knie sank und dann auf die Erde, die ihn von nun an umfangen würde, statt seine Schritte zu ertragen. Er hauchte einen rasselnden Todesseufzer, und Hana dachte: Ihr Götter, ich habe einen Mann getötet.
    Der große Rōnin hob das Schwert an ihre Kehle und übte sanften Druck aus. Hana spürte Blut aus der Schnittwunde rinnen. Dann packte er die Jadekette um ihren Hals und riss sie grob herunter.
    In diesem Augenblick begriff Hana, dass sie sterben würde. Das war natürlich zuvor schon offenkundig gewesen, doch irgendein Teil von ihr hatte sie hoffen, hatte sie kämpfen lassen. Aber der Anblick, wie der dünne Faden der Kette in dieser großen, schmutzigen Hand zerriss und die Jadeperlen zu Boden fielen … Es war nur eine Kleinigkeit, im Grunde gar nicht wichtig  – doch es verhieß Schlimmeres. Für sie hatte es eine Bedeutung. Ein Mann, der etwas so Schönes einfach zerstören konnte, so dass es sich in seine Einzelteile auflöste … ein solcher Mann war dazu fähig, alles zu zerstören.
    Tarō schnappte nach Luft, als der Rōnin der Dame die Kette abriss, und der Mann wirbelte mit erhobenem Schwert herum.
    »Das war ein Vogel, du Idiot«, sagte der Rōnin, der die hübsche junge Frau festhielt.
    »Hat sich nicht wie einer angehört«, erwiderte der andere.
    »Seit wann kennst du dich denn mit Vögeln aus? Ich dachte, du verstehst nur was vom Kartenspielen, Trinken und Kämpfen.«
    Der Rōnin, der über Tarōs Laut erschrocken war, fluchte und wandte sich wieder dem Mädchen zu. Doch er wirkte immer noch nervös, und Tarō sah, wie sein Blick zu seinem toten Gefährten huschte  – dem Mann, den die scheinbar harmlose junge Frau mit einer einzigen, blitzschnellen Handbewegung getötet hatte.
    So etwas hatte Tarō noch nie gesehen, und die Vorstellung, dass eine junge Frau wie sie  – schön, mutig, unerschrocken  – solchen Rohlingen zum

Weitere Kostenlose Bücher