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Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Titel: Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo
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fragte sie: »Und wann soll die Reise steigen?«
    Die Erwachsenen blickten einander an, als wäre diese Frage zum ersten Mal aufgeworfen worden. Frau Wellinghaus zuckte kaum merklich mit den Schultern. Miriams Vater blies die Backen auf und ließ langsam die Luft entweichen. Ihre Mutter drehte aufgeregt an ihrem Ehering herum, als ob der Bescheid wüsste und es gleich lauthals verkünden würde, was natürlich nicht der Fall war.
    Dafür sagte Herr Wellinghaus, wobei er zuerst einen Blick auf seine Pläne, dann auf die Stoff bahnen warf: »In vier Wochen.«
    Alle schienen überrascht zu sein, aber niemand sagte etwas. Nur an ihren Gesichtern war abzulesen, dass sie nicht damit gerechnet hatten, so früh schon aufzubrechen.
    »Wenn alles gut geht«, fügte Herr Wellinghaus hinzu.
    »Und warum habt ihr mir nichts davon gesagt?«, fragte Miriam. »Ich meine, schon früher.«
    Ihre Eltern schauten verlegen zu Boden, dann zu den Stoffbahnen, dann zu den Wellinghaus und dann wieder auf den Boden. Schließlich sagte Miriams Mutter so langsam und stockend, dass man hören konnte, wie unangenehm es ihr war: »Wir wollten nicht, dass etwas davon nach außen dringt. Wir wollten dich nicht damit belasten. Wir wollten …«
    »Ihr habt gedacht, ich erzähle es überall herum?«
    Miriams Mutter schüttelte den Kopf. Der Vater hob die Schultern.
    »Wir wollten auf Nummer sicher gehen«, sagte Herr Wellinghaus. »unsere Kinder, Ronny und Klara, wissen auch nichts davon.«
    »Ronny und Klara sind auch erst vier und sechs Jahre alt«, erwiderte Miriam.
    Herr Wellinghaus beugte sich zu ihr hinunter und sagte: »Du musst das verstehen, Miriam, es ist sehr gefährlich. Wenn jemand Wind davon bekommt …«
    »Hör auf, Mike!«, ging Frau Wellinghaus dazwischen. »Niemand wird davon erfahren, bis der Wind uns in die Freiheit gepustet hat.«
    Alle nickten. Auch Miriam.
    »Also, Miriam, zu niemandem ein Sterbenswörtchen, ja?«, sagte ihre Mutter. »Auch nicht zu Luzie, verstanden? Verhalte dich genauso wie immer. Und wenn dir irgendetwas Außergewöhnliches auffällt, sag uns Bescheid.«
    »Wir verlassen uns auf dich!«, sagte Herr Wellinghaus.
    »Und jetzt geh schlafen«, kam von Miriams Vater. »Wir müssen noch ein bisschen weiternähen, sonst wird’s nichts mit der Freiheit.«
    Miriams Mutter gab ihr einen Kuss, und Miriam zog die Speicherluke hinter sich zu.
    * * *
    »Schon in vier Wochen«, sagte sie nachdenklich, als sie wieder im Bett lag und ich auf dem Nachttisch stand.
    »Einfach so abhauen, ohne jemandem Bescheid zu sagen,nicht mal Luzie. Das wird sie mir nie verzeihen.« Sie dachte nach.
    »Ich könnte ihr einen Brief schreiben. Ihr alles erklären.« Miriam blies die Luft aus. »Und Tom? Vielleicht sehe ich ihn dann nie wieder. Vielleicht sollte ich ihn fragen, ob er mitkommt. Ein Platz im Ballon ist bestimmt noch frei.«
    Sie lächelte ins schummrige Licht hinein.
    »unwahrscheinlich. Ich glaube, Tom wird gar nicht wegwollen.«
    Das Lächeln war dahin. »Sein Vater ist in der Partei, der würde das ohnehin nie erlauben.«
    Sie sah mich an.
    »Und Luzie? Wenn ich weg bin, hat sie freie Hand. Bestimmt wird sie sich noch mehr mit Tom anfreunden. Sie gibt es nicht zu, aber ich weiß, dass sie ihn toll findet.«
    Lange sagte sie nichts mehr. Sie drehte sich im Bett unruhig von links nach rechts und wieder zurück.
    »Und wenn der Ballon abstürzt, was machen wir dann?«
    Sie schreckte plötzlich vom Bett hoch und schaute mich an, als könnte ich ihre Sorgen und Ängste zerstreuen. Aber da war auch ich machtlos.
    »Ich will nicht weg«, sagte sie schließlich in das schummrige Zimmer hinein. »Auf keinen Fall schon in vier Wochen.«
    Während es vom Speicher leise summte, sagte sie leise und mit müder Stimme: »Ich will bei Tom bleiben.«
    Dann kam wieder lange nichts von ihr.
    »Tom will nicht in die Freiheit.«
    Als ich Miriam schon eingeschlafen wähnte, hörte ich ganz leise ihre Stimme: »Und ich eigentlich auch nicht.«
    * * *
    Die nächsten vier Wochen waren seltsam, vor allem für Miriam. Sie war völlig verändert, obgleich sie nach außen hin so tat, als wäre alles beim Alten geblieben. Sie war aber keine besonders gute Schauspielerin, sodass auch Luzie und vor allem Tom ihre Veränderung bemerkten.
    »Was hast du denn?«, fragte Tom, der sich entgegen den Warnungen seines Vaters trotzdem heimlich mit Miriam traf.
    »Ach, nichts.«
    »Du hast doch was.«
    »Und wenn schon.«
    »Du willst es mir nicht sagen,

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