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Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Titel: Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo
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stimmt’s?«
    Miriam verschränkte die Arme vor der Brust.
    »Ich kann es dir nicht sagen.«
    »Warum nicht?«
    »Das kann ich dir auch nicht sagen.«
    »Schade«, erwiderte Tom. »Ich dachte, wir …«
    »Es tut mir leid.«
    * * *
    Am Samstag fuhren Miriam und ihre Mutter mit dem Wartburg in die Stadt. Es fehlten noch ein paar Quadratmeter Stoff für den Ballon.
    »Und schreibt euch auf, wo ihr schon wart«, gab der Vater ihnen mit auf den Weg. »Nicht dass die Verkäufer misstrauisch werden.«
    Wir gingen in jedes Stoffgeschäft, das es gab. Es war immer dieselbe Geschichte, die Miriam und ihre Mutter erzählten. Nachdem die Verkäuferin fragte, wofür sie denn so viel Stoffbräuchten, sagte Miriam voller Überzeugung: »Für die Trikots unserer Fußballmannschaft.« Woraufhin die Verkäuferin meistens lachte.
    »Du spielst bei den Jungs mit, was?«
    Miriam bejahte.
    »Und wie viele Spieler seid ihr?«
    »Elf«, sagte die Mutter.
    »Und zwei Ersatzleute«, fügte Miriam hinzu.
    »Macht also dreizehn Mal diese Länge und dann noch ein wenig Ausschuss.«
    Die Verkäuferin maß mit einem Holzstock mehrere Bahnen von einer Stoffrolle ab.
    »Nehmen Sie einfach ein bisschen mehr. Wäre schlecht, wenn einer im Unterhemd mitspielen müsste.«
    Alle lachten.
    Schon hatten sie wieder eine halbe Rolle Stoff mehr, woraufhin die Mutter ihre Tochter auf die Stirn küsste und sagte, als sie wieder vor dem Laden waren: »Das haben wir gut gemacht!«
    »Finde ich auch«, entgegnete Miriam und küsste mich auf den Bauch, dass es kitzelte.
    * * *
    Zwei Tage später, am Abend, nachdem wir endlich genug Stoff hatten, kam Toms Vater in seiner Uniform die Straße entlang. Miriams Mutter goss gerade die Blumen auf dem Fensterbrett, als sie ihn an der Gartentür stehen sah. Sie schreckte zurück und sagte ganz aufgeregt: »Was will der denn hier?«
    »Mist«, kam von Miriams Vater.
    Es klingelte.
    »Was machen wir jetzt?«
    »Wir machen nicht auf«, sagte der Vater.
    »Quatsch, ich gehe.«
    Die Mutter öffnete die Tür und sagte gespielt freundlich: »Guten Abend, Herr Becker! Das ist aber eine Überraschung! Was führt Sie denn zu uns?«
    Miriam und ich sahen durch den Türspalt ihres Zimmers hindurch und konnten jetzt den Vater von Tom vor Miriams Mutter stehen sehen.
    Von der Freundlichkeit der Mutter unbeeindruckt, sagte er in schneidendem Tonfall: »Sie brauchen sich überhaupt nicht zu wundern.« Er holte tief Luft und fügte ernst hinzu: »Ich möchte Sie bitten, dass Ihre Tochter nicht mehr mit meinem Sohn verkehrt.«
    Verkehrt? , dachte ich. Was für ein komisches Wort.
    Miriams Mutter gab sich erstaunt. »Wollen Sie nicht hereinkommen?«, fragte sie.
    »Das ist nicht nötig«, erwiderte Herr Becker, noch immer mit einer Stimme aus der Abteilung Weltuntergang. »Haben Sie verstanden?«
    »Aber … aber …«, stammelte die Mutter, als könnte sie ihr Erstaunen nicht mehr verbergen. »Warum denn?«
    »Das wissen Sie besser als ich.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Ausreiseantrag!«, sagte Toms Vater, als hätte er in eine faulige Pflaume gebissen.
    »Aber Herr Becker, das sind doch noch Kinder! Die haben gar nichts damit …«
    »Oh doch«, ging Herr Becker dazwischen. »Ich will nicht, dass mein Sohn in schlechter Gesellschaft groß wird, ist das klar?«
    Die Mutter nickte.
    »Gut. Denn wenn Sie das nicht begreifen wollen, kann ich auch anders.«
    »Wie meinen Sie das?«, fragte die Mutter eingeschüchtert.
    »Das werden Sie dann schon sehen.«
    Ohne sich zu verabschieden, machte Herr Becker auf dem Absatz kehrt, ging durch den Vorgarten und knallte die Gartentür hinter sich zu, dass es schepperte.
    Wir schauten ihm alle am Fenster hinterher, wie er in seiner grauen Uniform davonmarschierte.
    »Es wird Zeit, dass wir hier wegkommen«, sagte Miriams Vater wie zu sich selbst. Ihre Mutter bestätigte es mit einer eindeutigen Kopf bewegung.
    In der Nacht surrten dann wieder die Nähmaschinen, während Miriam mit einem schalen Geschmack im Mund im Bett lag und flüsterte: »Wenn das nur gut geht.«
    Ja , dachte ich, wenn ich das wüsste.
    * * *
    Als ein paar Tage nach dem großen Auftritt von Toms Vater Miriam am Morgen in die Schule kam, war Luzies Platz leer.
    Komisch , dachte ich, wo steckt die denn? Wäre sie krank, hätte ihre Mutter bestimmt Miriam Bescheid gesagt. Das dachte auch Miriam. Sie fragte die Lehrerin, die aber nur den Kopf schüttelte, als wollte sie nicht darüber reden. In der großen Pause kam dann ein wenig

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